Forscher fürchten die Politik
Schweizer Spitzenforscher bangen um den Zugang zum neuen Forschungsprogramm der EU, Horizon Europe.

Wenn die Politik nicht wäre, dann gäbe es die Wolken am Himmel nicht. Die Spitze des Schweizer Forschungsplatzes zeigte sich bei einem Besuch in Brüssel besorgt mit Blick auf die Teilnahme an künftigen EU-Programmen. Gehe es nach den Experten in der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission, müsse die Schweiz auch in Zukunft voll dabei sein, sagten Joël Mesot, Präsident der ETH Zürich, Martin Vetterli, Präsident der ETH Lausanne, und Gian-Luca Bona, Direktor der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Die Politik, oder genauer der Brexit und der ungelöste Streit um das Rahmenabkommen, sorge aber für Unsicherheit.
Mehrwert für beide
Die Schweiz sei einer der besten Partner, die die EU haben könne, und die Schweiz werde in der Forschergemeinschaft sehr geschätzt, betonte Joël Mesot. Von 9000 globalen Forschungsprojekten der ETH werde mehr als die Hälfte zusammen mit Partnern in der EU geführt. Der Mehrwert sei für beide Seiten gross, wenn in der Forschung offen zusammengearbeitet werden könne. Doch genau diese Offenheit ist in Gefahr, weil die Politik ins Spiel kommt. Das Forschungsprogramm Horizon 2020 läuft nächstes Jahr aus, und derzeit ist die EU dabei, die gesetzliche Grundlage für das Anschlussprogramm Horizon Europe zu beschliessen. Sobald hier Klarheit herrscht, könnten zwischen Brüssel und Bern die Gespräche über eine neue Beteiligung des siebenjährigen Programms eigentlich beginnen.
Immer mehr überschatteten politische Überlegungen die Zusammenarbeit, beklagte Martin Vetterli von der ETH Lausanne. Er erinnerte an die Zeit nach dem Votum über die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative, als die Schweiz für sechs Monate aus Horizon 2020 flog. Die Teilsuspendierung habe bis heute Spuren hinterlassen. Andere Hochschulen haben zum Beispiel die Koordination von Projekten übernommen, wo früher Schweizer Einrichtungen federführend waren. Forschung brauche aber einen langen Atem, ein «Stop-and-go» habe langfristige Effekte, so die Wissenschafter. Mit Blick auf den Brexit hat dieEU-Kommission bereits den Zugang zum künftigen Forschungsprogramm Horizon Europe neu geregelt. So wäre die Schweiz nicht mehr in der ersten Gruppe zusammen mit den EWR/Efta-Staaten, sondern zusammen mit den Briten in einer letzten Kategorie, zu möglicherweise weniger attraktiven Konditionen.
Schatten des Brexit
Nicht nur sei da der Schatten des Brexit, sagte der Lausanner Martin Vetterli. Das Rahmenabkommen werfe auch komplexere Fragen auf als damals die Zuwanderungsinitiative. Zwar gibt es keinen rechtlichen Zusammenhang. Die EU-Kommission hat aber in einem internen Schreiben die Devise ausgegeben, bis zu einer Einigung beim Rahmenabkommen die Zusammenarbeit mit der Schweiz nur dort voranzutreiben, wo ein übergeordnetes Interesse der EU bestehe. Die Exponenten des Schweizer Forschungsplatzes befürchten deshalb, dass es nach dem Ende des laufenden EU-Förderprogramms erneut zu einer Unterbrechung kommen könnte. Das könnte Forscher und Hochschulen im Ausland noch stärker als beim letzten Mal abschrecken, Kooperationen mit Schweizer Einrichtungen einzugehen.
Einem Vorwurf wollen sich die Forscher aber kein zweites Mal aussetzen: nämlich, sich wie vor der Abstimmung über die Zuwanderungsinitiative nicht gemeldet und für die eigenen Interessen eingesetzt zu haben. «Wir haben gelernt», sagte Vetterli. Die Spitzenforscher kündigten an, sich demnächst in der Debatte um das Rahmenabkommen zu positionieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch