Flugzeugabsturz als Belastungstest zweier Staaten
Nur Dummköpfe würden Russland dafür beschuldigen, dass ihr grösster Kritiker auf ihrem Staatsgebiet und in einer Maschine russischer Bauart abgestürzt ist. Ein Blick in die Geschichte der beiden Staaten zeigt aber tiefe Abgründe.

Die Trümmer der Tupolew TU-154 pflasterten den Wald in der Nähe der westrussischen Stadt Smolensk. Kaczynski wollte am Samstag in Katyn des Massakers an tausenden Polen erinnern.
Nun fand der 60 Jahre alte Kritiker von Russlands Regierungschef Wladimir Putin nahe dem Ort einen tragischen Tod, wo die Sowjets vor 70 Jahren polnische Offiziere mit Genickschuss töteten - ein neuer Schlag für die russisch-polnischen Beziehungen, die sich gerade erst erwärmen.
Die Ostseepipeline als Machtinstrument
Wie sehr diese Katastrophe auch den Russen nahe ging, zeigten die tief bestürzten Reaktionen der russischen Führung. Kremlchef Dmitri Medwedew sprach in einer TV-Adresse an das polnische Volk mit ruhiger Stimme und in tiefer Trauer von einer «Tragödie». Auch Russland werde an diesem Montag einen Staatstrauertag abhalten, sagte er. Das russische Staatsfernsehen spielte Trauermusik, während die Namen der getöteten Passagiere, viele von ihnen polnische Spitzenpolitiker, über den Bildschirm liefen.
Es ist das tragische Ende einer Schicksalswoche für die Polen - am Freitag hatten Russland und die EU die Ostseepipeline Nord Stream feierlich eröffnet. Kaczynski hätte diese Leitung zwischen Russland und Lubmin bei Greifswald gern verhindert. Er sah die Röhre als neues russisches Machtinstrument und politisches Druckmittel. Auch sonst sparte er, der Kontakte mit dem Kreml lieber mied und in seiner Amtszeit nie in Moskau war, nicht mit Kritik an Russland.
Streit um Georgien
In Erinnerung ist vielen Russen noch, dass Kaczynski lange Zeit eine Wiederaufnahme der Verhandlungen für ein neues Partnerschaftsabkommen mit der EU verhinderte. Er forderte sogar Sanktionen gegen Russland.
Erst als Moskau ein Einfuhrverbot für polnisches Fleisch aufhob, löste sich die Blockade. Hoch schlugen die Emotionen zwischen Moskau und Warschau aber auch, als Kaczynski sich nach Russlands Südkaukasuskrieg 2008 auf gefährliche Weise mit Georgien solidarisierte.
Kaczynski in Südossetien
Was war passiert? Kaczynski hatte auf Vorschlag seines georgischen Amtskollegen Michail Saakaschwili das extrem unsichere Grenzgebiet an der abtrünnigen Region Südossetien besucht. Nach offiziellen Angaben aus Tiflis waren Schüsse zu hören, als sich die Kolonne der Präsidenten einem Wachposten Südossetiens näherte.
Tiflis gab Moskau die Schuld, das Leben Kaczynskis gefährdet zu haben. Russland wies die Vorwürfe zurück. Doch Kaczynski nutzte den Vorfall als Beweis dafür, dass die zwischen der EU und Russland ausgehandelte Waffenruhe nicht eingehalten werde.
Auseinandersetzung um gemeinsame Geschichte
Allerdings war kein Streit zwischen Kaczynski und Moskau so beständig wie die Auseinandersetzung um die gemeinsame Geschichte. Bei der Erinnerung an den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen auf der Westerplatte bei Danzig gab Kaczynski dem anwesenden Gast Putin erneut eine Breitseite.
Als die polnischen Soldaten den deutschen Angreifern noch Widerstand leisteten, sagte Kaczynski, sei die Rote Armee am 17. September 1939 in Ostpolen einmarschiert. «An diesem Tag hat Polen einen Messerstich in den Rücken erhalten», klagte er. Diesen Stich habe das «bolschewistische Russland» (den Polen) versetzt. Solche Schuldzuweisungen hört Moskau nicht gern.
Putins versöhnliche Töne
Putin hatte zuletzt auch wegen der möglichen wirtschaftlichen Partnerschaft mit Polen immer versöhnlichere Töne angeschlagen - was auch polnische Kommentatoren honorierten. Noch am Mittwoch hatte sich Putin mit seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk in Katyn getroffen - ihr Handschlag war eine historische Versöhnungsgeste.
SDA/cpm
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