Flückiger ist endlich am Ende
Ein letztes Mal Flüche und hölzerne Szenen: «Der Elefant im Raum» machte uns den Abschied vom «Tatort Luzern» leicht.

«Blöd, dass du keine Frau bist», stellt Kommissarin Liz Ritschard (Delia Mayer) fest, als sie mit Kollege Flückiger (Stefan Gubser) im Finale von «Der Elefant im Raum» in einen strahlenden Tag hineinsegelt. «Nobody' s perfect», antwortet der mit jenem Gubser-typischen zerknautschten Schmunzeln, in dessen Selbstironie sich stets ein Tick Selbstmitleid mischt. So geht für den Luzerner «Tatort» im Sonnenglitzer das Licht aus.
Als letzten Satz der allerletzten Luzern-Folge wählten die Drehbuchautoren Felix Benesch und Mats Frey also selbstbewusst das grosse Filmzitat – nach der Schlussszene aus Billy Wilders romantischer Cross-Dressing-Komödie «Some Like It Hot», die der Luzerner Regisseur Tom Gerber auch noch gleich in Liz Ritschards DVD-Sammlung hineinbugsiert hat. Da feixte wohl die gesamte Filmcrew über sich selbst und das Unterfangen «Tatort Luzern», mit dem die Schweiz seit 2011 im deutschen Sonntagskrimiformat mitschwamm, sich aber kaum über Wasser halten konnte.
Der Rohrkrepierer-Krimi
Über Jahre hatte es Kritik am Ermittlerduo gehagelt (die Dame wurde bereits nach der ersten Folge ausgetauscht), an den Büchern, an der hochdeutschen Nachsynchronisation und den schwachen Einschaltquoten im Ausland. Abgesehen von wenigen Folgen wie dem One-Take-Experiment von Regisseur Dani Levy «Die Musik stirbt zuletzt» oder dem Selbstjustiz-Drama von Regisseur Florian Froschmayer «Ihr werdet gerichtet» galt der Luzerner «Tatort» als Rohrkrepierer.
Zum Abschluss legte etwa der «Spiegel» nun noch eins drauf und attestierte dem «Elefanten im Raum» 1 von 10 Punkten. Aber bleiben wir fair: Sooo schlimm wars auch wieder nicht. Klar, man kompilierte hier gnadenlos seine, na ja, greatest Hits:
Für die hilflosen Blicke und schräg gelegten Köpfe am ebenso hilflosen Szenenende ist diesmal besonders Computerspezialistin Corinna (Fabienne Hadorn) zuständig; das hölzerne Textaufsagen haben alle in petto.
Gubsers Ermittler dreht die Hilflosigkeit, wie gehabt, meist ins Grobianische, wenn er nicht grad «Hier stimmt doch was nicht» brummelt. Und nein, der inflationäre Gebrauch von Flüchen und Fäusten (gegenüber störrischen Zeugen und unschuldigen Stühlen) macht aus einer biederen Spassbremse auch diesmal keinen coolen Typ mit rauem Ruhrpott-Charme à la Schimanski.
Seltsam die Wut vor allem gegenüber der Presse: Diese figurierte in Gestalt eines Zuckerberg-Snowden-Breitbart-Ruch-Verschnitts als Kopf eines fragwürdigen Internet-Portals namens «Veritas News» und bot eine billige Folie für die – wie so oft pflichtschuldigst pädagogisch aufbereitete – aktuelle Diskussion über die Meinungsfreiheit im Netz.
Fabian Krüger tut als geschmeidiger Journalist Roux alles für Klicks und systemzersetzende Skandal-Informationen. Was die Mehrheit glaubt, sei dadurch bereits Fakt, postuliert er. Aber als er gegenüber Flückiger schnödet: «Acht Jahre sind Sie hier? Ich bin sicher nicht der Erste, der Ihnen sagt, wie Sie Ihren Job machen müssen», und später: «Deine Zeit ist vorbei», schenkt der Zuschauer den Drehbuchautoren dennoch ein Grinsen.

Überhaupt darf ob der ironischen Pikser ruhig gelacht werden: Viele Gelegenheiten dazu offeriert «Der Elefant im Raum» ja nicht.
Wo der hintritt, kitzelt kein Grashalm mehr, und wo der trompetet, gehen feinere Töne unter. Es geht um eine Waffenfirma und die unheilige Allianz von Politik, Wirtschaft und Medien; um einen korrupten Regierungsrat und einen verzweifelt ehrlichen Kantonsrat, der während eines edlen Diners auf dem Postkartensee umkommt; und darum, dass der kleine Mann erbarmungslos plattgemacht wird, wenn die oben es so wollen. Und der Mordfall selbst, der in den Hintergrund rutscht, wirkt ziemlich herbeigezwungen.
«Alle sagen dir, wenn du fleissig bist und dich an die Regeln hältst, gehörst du irgendwann dazu. Aber das ist nicht wahr.»
Einen Glücksgriff tat man allerdings mit Aaron Hitz als verdächtiger Verschwörungstheoretiker. «Unser Land ist in der Hand einer unfassbar gierigen Elite», wettert Nero, mit blutiger Schweinemaske über dem Kopf, im Netz. «Alle sagen dir, wenn du fleissig bist und dich an die Regeln hältst, gehörst du irgendwann dazu. Aber das ist nicht wahr.» Damit mache man nur die Elite reicher und fetter. Und diese Wahrheit, die keiner aussprechen möge, sei, wie Nero neudeutscht, «der Elefant im Raum».
Der tote Hund am Bildrand, an dem bald darauf die Polizeistiefel vorbeimarschieren, während aus dem Off noch Neros finale Predigt zu hören ist: was für ein grandioses Gegenbild! Wie da Bilderflow und Textfluss, Kälte und Klage ineinanderfliessen und gefährliche Sympathien für die gefährliche Figur aufquellen: Das ist das Highlight des Films. Der Rest ist funzlig.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch