Austauschsemester wird zum AlbtraumFlorenz, schrecklich: US-Studentin geht mit Jammerbericht viral
Gelato, Prosciutto und Leute, die sie «Bella» nennen – so hatte sich eine Studentin aus New York ihre Zeit in Italien vorgestellt. Doch es kam anders.

Stacia Datskovska hatte sich das alles schön ausgedacht. Als US-amerikanische Studentin aus New York ein Semester in Florenz, davon könnte sie gewiss ein Leben lang zehren. Also hatte sie Berlin ausgeschlagen, Paris, Shanghai und Abu Dhabi, die die New York University so im Programm hat, und ihr Herz sprechen lassen. Italien! Toskana! Florenz!
Und es fügte sich gut, zunächst. Bevor sie überhaupt dort ankam im vergangenen Herbst, erfuhr sie bereits, dass sie in der Via dei Tosinghi wohnen würde, mitten in der Altstadt, der Dom um die Ecke. Sie würde mit sieben anderen Mädchen zusammenleben, eine willkommene Abwechslung nach der Zeit im engen New Yorker Studio. «Potluck-Abendessen mit den Mitbewohnerinnen, Sommeraffären mit Leuten, die mich ‹Bella› nennen würden. Gelato, das mir in der Hitze die Finger heruntertropft», ein Traum. Offener Wein, leckerer Prosciutto, anregende Gespräche, was man sich halt so vorstellt auf dem Weg nach Italien.
Nur dass sich das Ganze als wahrer Horrortrip entpuppte, dessen Frustpotenzial die Journalistikstudentin sich jetzt in einem Artikel für das Magazin «Insider» von der Seele geschrieben hat. Es ist nix Schlimmes passiert in jenem halben Jahr in Florenz, um das gleich klarzustellen, kein «Sex und Crime», weder Übergriffe noch Überfälle, vielmehr passierte eigentlich einfach überhaupt nichts, so eben der Vorwurf der US-Amerikanerin, den sie jetzt unter der Überschrift zusammenfasste: «Ich hasste jeden Aspekt meines Auslandssemesters.»
Und die Italiener waren immer so mürrisch
Man könnte all dies, was gleich noch nachzuerzählen sein wird, als Einzelfall abtun und irgendwie auch als eine Geschichte von Missverständnissen, aber interessant ist doch das Echo, das ihre Beichte ausgelöst hat, nachdem ein bekannter Podcaster Auszüge auf Twitter postete und eine Million Zugriffe in wenigen Tagen generierte. Im Netz tobt jetzt ein wildes Hin und Her über die Frage, ob Stacia Datskovska einfach nur nicht ernstzunehmen oder doch ein grundsätzliches Problem zu besprechen ist.
Um es kurz zu machen, die Mitbewohnerinnen der WG fanden einfach nicht zusammen. Einige fuhren mit dem Bus zum Campus am Stadtrand, während andere im Café abhingen, Datskovska selbst steckte in Online-Seminaren. Was die anderen so trieben – Feiern bis zum Morgen, Ryanair-Flüge im Wert von 20 US-Dollar zum Oktoberfest nach München -, das erschien der New Yorkerin «wie eine anstrengende Form des Eskapismus».
Während ihre Klassenkameradinnen sich in Amsterdam oder Ibiza «ausbrannten», notiert sie, lief sie «an einsamen Wochenenden den Arno entlang, besuchte kostenlose Galerieausstellungen und kochte mit Zutaten, die ich auf lokalen Gemüsemärkten fand. Ich wurde in der Wohnung völlig allein gelassen». Und zu allem Übel seien die Italiener in der Stadt grundsätzlich mürrisch zu ihr gewesen. Dieser Mangel an menschlicher Interaktion hat offenbar nachhaltig Schaden angerichtet.
Ist «Emily in Paris» an allem schuld?
Klar, dass der larmoyante Bericht zu Hohn und Spott einlädt. «Herauszufinden, dass Florenz nicht New York ist und Europäer nicht Amerikaner sind, muss wirklich brutal gewesen sein», lautet ein Tweet, und ein anderer kommentiert: «Das ist genau der Grund, warum Amerikanern verboten werden sollte, nach Europa zu reisen.» Wobei man sagen muss: Das passiert ja nicht nur Amerikanern. Auch innerhalb Europas berichten Austauschstudenten gelegentlich, dass sie im Wunschland in der knapp bemessenen Zeit von einem oder zwei Semestern eher unter ihresgleichen blieben. Das kann viele Gründe haben, zum Beispiel, dass es einfacher ist, mit Menschen zusammen zu sein, mit denen man die gleiche Sprache spricht und die gleichen Rituale pflegt.
Ein gutes Austauschprogramm bereitet seine Teilnehmer auf diese Herausforderung vor – was übrigens selten geschieht. Stattdessen werden die jungen Menschen in Zeiten grenzenloser Kommunikation und des Vielreisens in romantischen Komödien und leichten Serien mit dem Klischee von Urlaubszielen wie Italien in die Irre geführt. Oder, wie es ein Twitter-Nutzer unter Verweis auf eine sehr bekannte Netflix-Serie auf den Punkt bringt: «Emily in Paris hat irreparablen kulturellen Schaden angerichtet.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.