Fliegen macht Lärm
Kampfflugzeug-Beschaffungen gehen in der Schweiz nie geräuschlos über die Bühne.

Der Bundesrat trifft Vorbereitungen, ein neues Kampfflugzeug zu beschaffen. Eine Expertengruppe und ein parlamentarischer Ausschuss haben dazu gestern ihre Empfehlungen vorgelegt . Die Triebwerke beginnen sich zu drehen – einmal mehr.
Vor drei Jahren erschütterte eine Detonation das Land. Der Gripen-Jet war in der Volksabstimmung abgestürzt. Grabesstille herrschte nur kurze Zeit. Jetzt vernehmen wir erneut anschwellendes Motorenbrummen. Braucht die Schweiz 20 neue Maschinen für vier Milliarden Franken? Oder eher deren 70 für 14 Milliarden?
Probleme, Pleiten, Peinlichkeiten
Die Grünen fordern lautstark, über den Kauf müsse auf jeden Fall das Volk befinden können – wie im Mai 2014, als es dem damaligen Verteidigungsminister Ueli Maurer das neue Fluggerät verweigerte. Auch die SP ruft nach «demokratischer Mitbestimmung». Alles andere sei «ein Affront» gegenüber jenen mehr als 1,5 Millionen Stimmenden, die einst den Kauf des Gripen verhindert hätten.
Noch ist kein Entscheid gefallen, noch ist alles offen; doch schon nimmt das Gerassel und Gedröhne zu.
Verwunderlich ist es nicht: Noch nie sind hierzulande militärische Flugzeug- Beschaffungen geräuschlos über die Bühne gegangen. Technische Probleme, politische Pleiten und Peinlichkeiten waren deren ständige Begleiter. Hans-Ulrich Jost, emeritierter Professor für Schweizer Geschichte an der Universität Lausanne und einst selber Militärpilot, bezeichnete sie einmal als «populärwissenschaftliche Dramen», welche die Öffentlichkeit stets in Atem hielten.
Die Geschichte der helvetischen Militärfliegerei beginnt mit einer Verweigerung. Wir schreiben das Jahr 1893. Die Armee soll um einen «Luftschiffpark» erweitert werden. Das Parlament interveniert. 69 500 Franken für ein paar Fesselballone? Zu teuer!, schimpfen die Volks- und Standesvertreter. Sie stimmen Nein.
Das Vorhaben gelingt erst in einem zweiten Anlauf. Am 3. August 1900 schwebt erstmals ein Fesselballon über Bern. Er soll künftig Aufklärungsflüge über Feindesland ermöglichen. Doch da reisst das Sicherungsseil. Der Ballon verschwindet in den Wolken. Er wird erst Tage später auf dem Bantiger, einem Hügel nordöstlich der Bundesstadt, wieder gefunden – zerrissen, zerfetzt, zerstört. Das Volk tauft den fahnenflüchtigen Ballon auf den Namen «Vagabund».
«Wer nicht fliegt, wird überflügelt»
1912, zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wird der Wunsch laut, der Bund möge die militärische Flugausbildung subventionieren. Jetzt ist es die Landesregierung, die Nein sagt. Die Schweizerische Offiziersgesellschaft organisiert daraufhin eine private Nationalspende zugunsten der Militäraviatik. Dennoch, es stehen zu Kriegsbeginn 1914 dann doch bloss neun Piloten mit acht Privatflugzeugen bereit, die Schweiz auch in der Luft zu verteidigen. Die eidgenössische Luftwaffe – eine Jammertruppe.
Auch im Jahr 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, sieht es nicht viel besser aus. Der Flugzeug-Park ist dünn bestückt. Diesmal sind sich Parlament und Bundesrat einig: «Wer nicht fliegt, wird überflügelt.»
Flugzeuge müssen her, man tüftelt an Eigenkonstruktionen. Schliesslich sieht sich die Schweiz aber gezwungen, von den Nazis Messerschmitt-Maschinen und von den Franzosen Morane-Jagdflugzeuge zu kaufen.
1945 ist der Krieg zu Ende, es darf wieder geträumt werden. Die Schweiz träumt den Traum von der eigenen Düsenmaschine. Am 25. März 1958 zerschellt dieser Traum auf dem kalten Wasser des Bodensees: Der Prototyp des Fliegers P-16 stürzt ab, ein Bub im Pedalo kann den Piloten vor dem Ertrinken retten. Ein Witz macht die Runde im Land: «Der P-16 wird jetzt mit Schnorchelausrüstung geliefert.» Der Bundesrat entsorgt seine stolzen Pläne für die Serienproduktion von hundert P-16-Fliegern im Papierkorb.
1964 muss gar ein Bundesrat demissionieren: Verteidigungsminister Paul Chaudet tritt zurück, nachdem klar wird, dass sein geplanter Mirage-Kauf nicht 800 Millionen Franken, sondern fast doppelt so viel kosten wird. 1993 entgeht Bundesrat Kaspar Villiger diesem Schicksal: Sein F/A-18-Jet wird nach einem harten Abstimmungskampf in der Volksabstimmung dann doch noch angenommen.
Heute beginnt es wieder zu rumoren. Fliegen macht eben immer Lärm.
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