Finger weg von der Universität!
Christoph Eymann: Meine letzten Worte als Basler Regierungsrat.

Heute Dienstag ist mein letzter Tag als Regierungsrat. Da sollte man doch friedlich Danke sagen. Stattdessen braucht es kurz vor der Schlusssirene noch einen letzten Einsatz. Das mag nicht sehr friedlich wirken. Aber der Grund ist Dankbarkeit: Ein Dank an alle, die sich vor mir, mit mir und nach mir einsetzen, um die unvergleichliche Institution Universität vor Unbill zu schützen. Seit der allerersten Stunde im Amt vor 16 Jahren, und jeden Tag danach, durfte ich gemeinsam mit zahllosen wohlgesinnten wie kritischen Menschen, gerade auch aus dem Baselbiet, an der erfolgreichen Zukunft der autonomen und partnerschaftlich getragenen Universität arbeiten.
Ihnen allen bin ich diesen Klartext schuldig. Denn auf das grösste gemeinsame Werk unserer Region werden groteske, existenzbedrohende Angriffe gefahren. Die Erfolgsgeschichte der Region Basel, dem Lebensraum der Basler und Baselbieter, der Fricktaler und Schwarzbuben, der Markgräfler und Elsässer und aller tüchtigen Einwanderer dazu, (Frauen und Männer), ist einmalig. Diese Geschichte ist ausserdem simpel und schnell erzählt:
- Im Mittelalter wurde hier die einzige Brücke weit und breit gebaut.
- Danach wurde hier die erste Universität weit und breit gegründet.
- Dazwischen liess man sich weder von der brutalen Pest-Epidemie noch von einem gigantischen Erdbeben entmutigen.
- Alles Weitere hat sich dann gut ergeben. So viel zu dieser Geschichte.
Durchaus amüsiert nahmen wir deshalb kürzlich den politischen Versuch zur Kenntnis, die Mittlere Brücke zu schleifen. (Es ging ja nur um den Ersatz derselben.) Weniger lustig sind die politischen Angriffe aus dem Partnerkanton auf die Universität. Heutzutage genügt eine unsorgfältige Studie und angeblich aus ihr abgeleitete Postulate, um viel Unheil anzurichten.
«Weniger lustig sind die politischen Angriffe aus dem Partnerkanton auf die Universität.»
Warum «unsorgfältig»? Aus korrekten Daten, natürlich auch vertraulichen, wären ja durchaus korrekte Schlüsse zu ziehen. Aber eben nicht, wenn andere Absichten verfolgt werden, nämlich die Behauptung, der Universität könnten problemlos 100 Millionen Franken entzogen werden, jedes Jahr. Wenn falsches statistisches Material einfliesst. Wenn viele fachliche Fehler begangen werden. Wenn nicht einmal minimalste professionelle Standards eingehalten werden. Etwa dass die untersuchte Institution die Sache vor Publikation gegenlesen kann. Wenn also auch die letzte Chance verschenkt wird, eigenen Irrtümern auf die Spur zu kommen, dann ist das alles andere als sorgfältig gearbeitet.
Was die Studie verschweigt
Es ist knapp zehn Jahre her, dass 80 Prozent der Baselbieter Wählerschaft ja zum Engagement bei der Universität sagten, weil man nicht als Trittbrettfahrer gelten wollte. Solches nennt man hierzulande «unumstritten», das beweist auch das Abstimmungsverhalten bei der Universitäts-Pensionskasse, weil sich Basel-Landschaft der eigenen Verantwortung für die gemeinsame Universität bewusst war. Die Baselbieterinnen und Baselbieter haben sich klar für die Universität ausgesprochen. Wer in aller Welt ist Vater (oder Mutter) oder Ursache der bösen Gedanken? Eine ungleiche Partnerschaft in finanziell schwierigen Zeiten des Kantons Basel-Landschaft? Davon kann nicht die Rede sein, wenn man nicht vergisst, dass der Kanton Basel-Stadt im letzten Jahr durch seine Regierung und sein Parlament 80 Millionen Franken ans Baselbiet beschlossen hat, um Schaden von gemeinsamen Institutionen abzuwenden. Schieflagen kommen irgendwann in jedem Gemeinwesen vor. Sie dürfen aber nicht behoben werden, indem gut funktionierende und äusserst wichtige Institutionen im Bereich der Bildung beschädigt werden.
Dass die Universität kein Geld vernichtet, zumindest nicht im grossen Stil, könnten viele Fachleute und Mitverantwortliche bezeugen. Mir fallen erfolgreiche Unternehmer ein. Zum Beispiel der ehemalige Präsident von Novartis und der UBS, Alex Krauer, der Präsident der Lonza, Rolf Soiron, und der Präsident der erfolgreichen Familienunternehmung Endress + Hauser, Klaus Endress. Alles Unternehmer, welche jahrelang als Mitglieder des Universitätsrats hautnah mit den Realitäten der Institution verbunden waren.
Ohne Zweifel bestens beschlagen mit allem, was strategische und betriebliche Planung und Kontrolle erfordert. Erfahren mit der wirtschaftlichen Grössenordnung, die sich in einer Universität aus der Arbeit von 5000 qualifizierten Menschen für 13'000 Studierende ergibt. Einschliesslich Unterhalt eines Betriebs, der nicht nur zeitgemäss ausgestattet sein muss. Sondern gerüstet für die Zukunft. Da sollen 100 Millionen Luft in der Rechnung sein? Die drei erwähnten Persönlichkeiten und auch andere Mitverantwortliche hätten sicher sofort Alarm ausgelöst.
Ist Kritik verboten?
Nein, natürlich nicht. Und es ist auch nicht so, dass die in der Studie postulierten sinnvollen Verbesserungen die Führung der Universität auf dem falschen Fuss erwischt hätten. Es wäre ja fahrlässig, wenn sich eine so grosse Institution nicht laufend über Studierendenzahlen, Immobilienkosten oder Studiengebühren Gedanken machte. Grobfahrlässig ist es aber, mittels einer fiktiven Addition dieser Faktoren kurzerhand Pläne zu schmieden, welche der Universität den Boden unter den Füssen wegziehen. Man mag ja in die Welt setzen, die Uni Basel hätte mehr Studierende, als diese Region verkraften kann. Und sie sei immobilienmässig viel zu verzettelt.Da blicke man einfach nach Oxford oder Cambridge: Wo halb so grosse Gemeinwesen die doppelten Zahlen stemmen. Und wo, historisch bedingt, der ganze Betrieb auf mehr als dreissig örtlich getrennte Colleges verteilt wird.
Und wie soll räumlich mehr Effizienz entstehen, wenn ausgerechnet die von beiden Regierungen beschlossene Raumstrategie der Universität torpediert wird und losgelöst von den Kostenfolgen verlangt wird, Fakultäten ins Baselbiet zu zügeln? Die Schweiz ist nachweislich Innovationsweltmeister. Die von Basel-Landschaft und Basel-Stadt getragene Universität trägt wesentlich dazu bei. Nirgendwo sonst werden Jahr für Jahr pro Kopf so viele Patente erteilt wie in der Schweiz.
Wir schaffen das mit der international niedrigsten Maturandenquote und der geringsten Jugendarbeitslosigkeit weit und breit. Dies und eine schnelle Weiterleitung von Forschung in die Wirtschaft verdanken wir dem dualen Bildungssystem. Dafür werden wir endlich weltweit bewundert.
Doch eine Studie? Ja, aber was für eine! Wird der Geldhahn brutal zugedreht, muss man sich wehren. Irgendwann muss sich auch die Universität selber dazu äussern. Zum Theater, das mehr oder weniger wohlmeinende, schlaue oder informierte politische Instanzen über ihren Kopf hinweg veranstalten.
Eine neue Studie muss her
Eine Idee: in Ableitung berühmter historischer Worte. Die Universität soll nicht fragen, «was die Gesellschaft für sie tun kann». Stattdessen deutlich machen, «was sie für die Gesellschaft tut». Sie konzipiert und verfasst selbst eine umfassende, mehr als nur materielle Wertschöpfungsstudie. Nicht etwa, um das ohnehin Unbeweisbare zu beweisen. Sondern um das anscheinend nur schwer Fassbare zu veranschaulichen. Um selber kluge Vorschläge einzubringen. Um das verdiente Vertrauen in weitere Kreise zu tragen. Wo sonst, wenn nicht in der Universität, sind die Experten, die das können? Unsere Ökonomen sollen erklären, warum eine Forschungsfirma in nur 19 Jahren von 0 auf 30 Milliarden Franken Wert wächst. In Allschwil war das übrigens. Humangeografen und Umweltwissenschaft sollen nachweisen, was ein Schwerpunkt kluger Köpfe in einer Region positiv bewirkt. Soziologen und Ethnologen sollen die gesellschaftlichen Gewinne aufzeigen, in Räumen mit überdurchschnittlicher Zuwanderung, Durchmischung und hohem Bildungsniveau. Die Naturwissenschaften, deren Nutzen ja weniger bezweifelt wird, sind für einmal weniger Akteure als Anschauungsobjekt: Warum funktioniert das so enorm gut in unserer Region Basel, soll aufgezeigt werden.
Das ist nur eine spontane, exemplifizierende Aufzählung. Es werden noch viele weitere Bereiche unserer gemeinsamen Universität Beiträge leisten können.
«Dass die Universität kein Geld vernichtet, können viele Fachleute bezeugen.»
Insider werden jetzt einwenden, dass es alle diese Informationen bereits gibt. Das stimmt. Vielleicht ist aber diese aufgezwungene aktuelle Defensive Anlass für unsere gemeinsame Universität, einmal gebündelt und wohl dargestellt zu zeigen, was geleistet wird. Getreu dem Leitsatz der Elsässer Gemüsefrau auf dem Marktplatz: «Il faut bien présenter ses légumes!» Entscheidend ist aber: Feuer, Konzept und Auftrag dieser Studie müssen in der Universität selber angesiedelt sein.
Warum so vehement?
Die Unsicherheit um die Finanzierung der Universität gibt es nicht erst seit der genannten Studie. Die unselige Blockade dauert schon viel zu lange. Sie hindert die Menschen in der Universität daran, gute Pläne für die Institution zu machen. Und schafft Anreize, persönliche Pläne besser woanders umzusetzen. Die Blockade verunsichert auch Familienangehörige der Mitarbeitenden.
Wir müssen kämpfen für eine auch in Zukunft bedeutende Universität, Stadt und Land gemeinsam! Das wahrgenommene Missverhältnis zwischen der Bedeutung dieser Weltklasse-Institution und dem Einsatz für ihre sichere und erfolgversprechende Zukunft wollte ich mit diesen ungehörigen Zeilen ein bisschen verbessern.
Ab morgen bin ich, mit nunmehr ungeteilter Kraft, in Bern für die grosse und wichtige Sache unterwegs. Die gemeinsame Universität beider Basel – mit allen ihren Fakultäten – lässt mich nicht los. Und ich sie auch nicht.
Nach 16-jähriger Tätigkeit als Basler Erziehungsdirektor erlebt Dr. iur. Christoph Eymann heute seinen letzten Arbeitstag als Regierungsrat. Den Rückzug aus der Politik bedeutet das Ausscheiden jedoch nicht: Der 65-jährige Doyen der Basler Liberalen wird in Bundesbern weiterwirken. 2015 wurde Eymann in den Nationalrat gewählt. Dort war er bereits von 1991 bis 2011 vertreten.
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