«Federer ist ein Geschenk»
Matthias Hüppi hat das «Sportpanorama» wesentlich geprägt. Im Interview blickt er zurück auf schwierige Gäste, Clown-Mode und peinliche Momente.

Am 8. Januar 1977 strahlte das Schweizer Fernsehen das «Sportpanorama» erstmals aus – und 40 Jahre später gibt es die Sendung immer noch. Seit 1993 hat sie ihren Stammplatz nicht mehr am Samstag, sondern am Sonntagabend. Und Matthias Hüppi ist eines ihrer prägenden Gesichter: 1985 debütierte der Mann mit dem unverkennbaren Ostschweizer Dialekt am Pfingstsamstag. Ottmar Hitzfeld – damals am Anfang seiner grossen Trainerkarriere und beim FC Aarau tätig – war sein erster Interviewgast im Studio. 2017 ist Hüppi immer noch dabei. Und mit 58 Jahren denkt er nicht ans Aufhören.
40 Jahre Sportpanorama heisst auch gefühlte 40 Jahre Matthias Hüppi als Moderator: Können Sie sich eine Zukunft der Sendung ohne Sie vorstellen?
(lacht laut) Ja, natürlich! Und für mich wird es eine Zukunft ohne die Sendung geben. Auch wenn das Sportpanorama natürlich etwas Spezielles in meinem Leben geworden ist.
Was macht die Sendung so besonders für Sie?
Sie bewegt die Leute, sie hat sich über all die Jahre gehalten wie die «Tagesschau», die «Rundschau» oder der «Kassensturz». Und für mich als Moderator ist sie Woche für Woche eine enorme Herausforderung, weil sie noch in einer teleprompterfreien Zone stattfindet. Das heisst, dass der Moderator nicht stundenlang an seinen Sätzen feilen kann, sondern improvisieren muss, weil die Aktualität das Sportpanorama mitprägt und entsprechend Spontaneität verlangt. Oft laufe ich rein ins Studio und weiss noch nicht genau, mit welchen Worte ich anfange. Aber ich bin sehr gut vorbereitet auf die Beiträge, und wer gut vorbereitet ist, dem fällt das Improvisieren auch nicht sehr schwer. Und die Sendung hat immer mehr an Tempo gewonnen. Verglichen mit heute war früher alles etwas gemächlicher.
A propos früher: Wir kommen nicht am Thema Mode vorbei...
...ouh! Die weissen Socken! Die fürchterlichen Pullis! Die farbigen Krawatten! Wir sahen aus wie Clowns aus dem Zirkus. Die jungen Kollegen kugeln sich heute vor Lachen. Ich kann sie sehr gut verstehen.
Welcher Gesprächspartner war für Sie die grösste Herausforderung?
Garry Kasparow, der russische Schachweltmeister. Nicht wegen seines Charakters, sondern weil ich kaum einen Schimmer von Schach hatte. Ich musste mich in der Vorbereitung enorm reinknien, um mich nicht blosszustellen.
Wer hat Sie schier zur Verzweiflung gebracht?
Verzweifelt bin ich nie, aber genervt habe ich mich, wenn Sportlerinnen oder Sportler vorgestanzte Antworten gaben. Und jeder Journalist kennt das doch: Wenn sein Gegenüber nur 08/15-Dinge von sich gibt, ist das nicht besonders lustig. Aber ich erinnere mich lieber an die Gäste, mit denen es ein Vergnügen war.
Zum Beispiel?
Alberto Tomba war ein wahrer Signore. Er lief schon topgestylt ins Studio, als wäre er eben von einem Mailänder Modeschöpfer eingekleidet worden. Er trug auch keine Schriftzüge von Sponsoren am Hemdkragen, obwohl er damals Werbepartner von Firmen war. Aber nein, er kam, redete – ein super Auftritt. Von den Schweizern Sportlern ist Roger Federer ein Geschenk für einen Moderator: grundbescheiden, fährt allein mit dem Auto nach Leutschenbach, gibt souverän Auskunft, nimmt sich nach der Sendung Zeit für Autogramm- und Fotowünsche der Zuschauer – und dann kann es sein, dass wir noch 45 Minuten im kleinen Kreis zusammenhocken und fachsimpeln.
Wer waren die schrägsten Vögel?
Xeno Müller zum Beispiel. Oder Paul Accola. Accola! Ich hatte den unheimlich gern im Studio. Er war völlig unberechenbar. Oder Iouri Podladtchikov. Viele glauben, es sei sehr schwierig mit ihm. Aber das Gegenteil ist wahr: ich habe mich extrem wohl gefühlt und fahre nie schlecht, wenn ich die Grundregel befolge: dem Gast zuhören und auf ihn und seine Antworten eingehen. Nur so kann sich ein Gespräch entwickeln.
Welche peinlichen Momenten würden Sie am liebsten aus dem Gedächtnis streichen?
In jüngeren Jahren regte ich mich auf, wenn mir Fehler unterliefen. Ich übertrieb es mit dem Hang zum Perfektionismus. Inzwischen bin ich gelassener. Was aber keineswegs heisst, dass ich nicht fehlerfrei durch eine Sendung kommen will. Und dann gab es Dinge, die ich nicht beeinflussen konnte. Wenn ich zum Beispiel Rudern ansagte und stattdessen Schwingen gezeigt wurde. Und einmal ging während dreieinhalb Minuten überhaupt nichts mehr.
Und?
Der Regisseur teilte mir mit: «Mach irgendetwas mit dem Publikum.» Also fing ich an, mit den Leuten im Studio zu reden und die Zeit zu überbrücken. Es war ganz glatt.
Sie sind 58 und mit einem unvergleichlichen Enthusiasmus bei der Sache. Woher kommt das?
Ich mache meinen Job einfach unheimlich gern. Ich habe glücklicherweise die Energie dafür und mache es nicht, weil ich mich profilieren will. Aber ich muss sagen: Nach einer Sendung bin ich regelrecht Ko, dann ist der Tank leer.
Viele TV-Moderatoren verstehen sich mittlerweile als Unterhalter und versuchen sich darin, lustig zu sein.
Ich glaube, mit dem Sauglattismus ist es langsam vorbei. Für mich gilt sowieso: Niemals würde ich mir von einem Ghostwriter einen vermeintlich lustigen Spruch schreiben lassen. Nein, nein, ich lasse mich auf keinen Fall verbiegen. Informieren, das ist mein Auftrag. Die Sportler sind die Protagonisten, nicht ich. Aber klar gefällt es auch mir, wenn ich gut ankomme bei den Leuten. Und gerade die Diskussionen nach den Sendungen mit den Zuschauern finde ich total lässig: Die schätzen es, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Und sie staunen manchmal Bauklötze, wenn sie sehen, welchen Aufwand das Fernsehmachen erfordert.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Das war ein jahrelanger Lernprozess. Heutzutage findet die öffentliche Kritik vor allem in den Onlineforen statt...
...die Sie noch lesen?
Ich müsste lügen, wenn ich es ganz abstreiten würde. Aber viel Zeit verbringe ich nicht damit. Wenn unter der Gürtellinie kommentiert und so Dampf abgelassen wird, denke ich: Zum Glück gibt es für solche Leute dieses Ventil.
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