
Die Schweizer Unternehmen durchleben wegen Corona turbulente Zeiten. Dies zeigt die neueste KOF-Konjunkturumfrage der ETH Zürich. Rund 60 Prozent der befragten Firmen geben an, ihre Geschäftstätigkeit sei stark beeinträchtigt. Etwa 14 Prozent sehen ihre Existenz stark oder sogar sehr stark bedroht. Im Gastgewerbe und in der Industrie ist der Beschäftigungsindikator besonders tief. Eine Folge der schwierigen Situation stellen vielerorts ausbleibende Investitionen in zukunftsweisende Entwicklungen dar. Hält dieser Investitionsstau länger an, wird die Wettbewerbsfähigkeit über kurz oder lang beeinträchtigt.
Auch die neuesten Arbeitsmarktzahlen für die ganze Schweiz geben keinen Anlass zur Freude. So waren gemäss Bund Ende August 2020 151’111 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eingeschrieben. Das sind 2241 Personen mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote ist im Berichtsmonat damit von 3,2 auf 3,3 Prozent gestiegen. Besonders stark betroffen waren dabei die 15- bis 24-Jährigen, während die Zahl der älteren Arbeitslosen (50 bis 64) viel weniger stark angestiegen ist. Die Zahl der offenen Stellen hingegen hat sich um 243 auf 35’052 Stellen verringert.
Etwas erfreulicher ist die Entwicklung bei der Kurzarbeit: Sowohl die Anzahl der betroffenen Personen als auch diejenige der betroffenen Betriebe haben sich im Juni 2020 reduziert. Und auch die Anzahl der ausgefallenen Arbeitsstunden ist zurückgegangen. Dank der verlängerten Anspruchsberechtigung auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung (120 zusätzliche Taggelder) konnte die Zahl der Aussteuerungen schweizweit tief gehalten werden.
Zuerst müssen die Arbeitsplätze erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden
Auch wenn die Basler Zahlen insgesamt etwas positiver ausgefallen sind, beträgt die kantonale Arbeitslosenquote im August 2020 nach wie vor hohe 4,0 Prozent. Dennoch darf festgehalten werden, dass sich in allen Kategorien eine leichte Entspannung zeigt und die Zahl der beim RAV gemeldeten offenen Stellen um fast 28 Prozent zugenommen hat. Weder im Mai noch im Juni musste jemand ausgesteuert werden.
Dass die Gewerkschaften trotz diesem düsteren Bild Forderungen nach mehr Lohn stellen, wirkt befremdend. Zwar wird der Kaufmännische Verband nach eigenen Aussagen keine «klassischen» Lohnerhöhungen fordern, und in der Hotellerie und Gastronomie wird effektiv auf Lohnverhandlungen verzichtet. Das bleiben aber Ausnahmen, denn Travailsuisse, Syna, Transfair und Hotel & Gastro Union beispielsweise sind der Meinung, es seien trotz Corona-Krise Lohnerhöhungen notwendig. Und die Unia hält einen Verzicht für «sicher keine nachhaltige Strategie, um Arbeitsplätze zu sichern».
Fast alle Arbeitgeber sind sich darüber einig, dass zurzeit kein Spielraum für Lohnerhöhungen besteht, da sich die Krise noch immer auf viele Branchen, wie beispielsweise Veranstalter, Schausteller und die davon abhängigen Firmen, direkt auswirkt. Also müssen zuerst die Arbeitsplätze erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Freie Mittel müssen deshalb in aufgeschobene Investitionsprojekte fliessen. Für die Arbeitnehmer gibt es dennoch einen Lichtblick, weil für die nächsten zwei Jahre mit einer negativen Teuerung zu rechnen ist. Damit steigen die Löhne und die Kaufkraft sowieso.
Schliesslich macht auch der neueste Arbeitsmarktbarometer Q4 2020 der Manpower Group Mut. 12 Prozent der 452 Arbeitgeber, die im Juli 2020 befragt wurden, rechnen nämlich mit einer Zunahme ihrer Personalbestände, 72 Prozent erwarten keine Veränderung, 4 Prozent sind noch unsicher, und 7 Prozent gehen von einer Abnahme aus. Am meisten Optimismus zeigen die mittleren Unternehmen mit 50 bis 249 Angestellten. Im Vergleich zum Vorquartal sind die Beschäftigungszahlen in keiner Schweizer Region rückläufig. Das lässt hoffen, dass die Zahl der Entlassungen und Restrukturierungen geringer ausfallen könnte, als im Frühjahr befürchtet worden ist.
Bleibt zu wünschen, dass die Gewerkschaften mitziehen und den Unternehmen die notwendige Zeit lassen, damit der Arbeitsmarkt wieder in Schwung kommen kann.
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Soll und Haben – Falsche Zeit für Lohnforderungen
Dass die Gewerkschaften trotz düsterem Bild mehr Lohn verlangen, wirkt befremdend.