Experte sieht Schweizer Nahost-Politik durch Burkhalter gefährdet
Die Schweiz sollte den Antrag der Palästinenser auf einen aufgewerteten Beobachterstatus unterstützen, sagt Nahost-Experte Riccardo Bocco. Es sei ein Fehler gewesen, die aufgebaute Vermittlungskultur zu zerstören.
Falls die Palästinenser von den Vereinten Nationen den aufgewerteten Status erhielten, würde sich die juristische Lage des Landes verändern, sagt der Nahost-Experte Riccardo Bocco vom Institut de Hautes Etudes Internationales et du Développement (IHEID) in Genf im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Die Schweiz sollte darum den Antrag der Palästinenser auf den neuen Beobachterstatus unterstützen, sagt Riccardo Bocco. Allerdings müsste Aussenminister Didier Burkhalter dazu seine Meinung ändern und realisieren, dass es ein Fehler war, die aufgebaute Vermittlungskultur zu zerstören, sagte Bocco.
Zusätzlicher Druck auf Israel
Die Palästinenser würden dann von einer Bevölkerungsgruppe zu einem eigentlichen territorialen Konstrukt werden. Israel wäre dann de iure eine Besatzungsmacht und nicht nur de facto, wie von der Weltgemeinschaft derzeit eingestuft.
Mit der UNO-Anerkennung eines Staates innerhalb der Grenzen von 1967 könnten die Palästinenser mit zusätzlichem Druck die Aufhebung der illegalen Besetzung fordern. Zudem bekämen sie die Möglichkeit, Mitglied diverser UNO-Organisationen zu werden.
Das Land würde auch Zutritt zum Internationalen Strafgerichtshof der UNO erhalten. Damit könnte Palästina eine Untersuchung des israelischen Gaza-Kriegs von 2008/2009 in die Wege leiten.
Innenpolitisch würde ein Ja bei der UNO die Stellung von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas gegenüber der Bevölkerung im Westjordanland aber auch im Gazastreifen stärken, sagte Bocco. Dies habe Abbas absolut nötig. Es sei aber auch notwendig, dass die Palästinenser ihre nationale Einheit verwirklichten, um bei den Verhandlungen als geeinte Front auftreten zu können.
Gespannt auf Verhalten der Schweiz
Gemäss dem Stimmenverhältnis in der UNO sei der Antrag von Palästina nicht chancenlos, sagte Bocco. Er sei gespannt, wie sich die Schweiz verhalte. Er erwarte, dass sich Burkhalter bestenfalls auf die Neutralität berufe und enthalte.
Schlimmstenfalls werde er nein sagen und sich damit selbst ins Bein schiessen: «Das würde der offiziellen Linie der Schweiz als Verteidigerin des Völkerrechts und Depositarstaat der Genfer Konventionen widersprechen und die schweizerische Nahost-Politik der letzten 20 Jahre gefährden.»
Falls der Aussenminister ja zum palästinensischen Antrag sage, dann habe er seine Meinung geändert. Ein Ja würde bedeuten, dass Burkhalter verstanden habe, dass seine Politik mehr Türen verschlossen als geöffnet habe. Und dass die gesamte Vermittlungsarbeit seiner Amtsvorgängerin Micheline Calmy-Rey nützlich gewesen sei, namentlich der Sondergesandte der Schweiz für den Friedensprozess.
Unklare Vision Burkhalters
Die Schweiz müsse mit allen Parteien sprechen. Statt den israelischen Aussenminister Avigdor Lieberman in Bern zu empfangen, hätte Burkhalter selbst in die Region reisen und sowohl die eine als auch die andere Seite treffen müssen – und damit die Kontinuität der Rolle der Schweiz als Vermittlerin bekräftigen, meinte Bocco.
Calmy-Rey habe eine Vision gehabt, sagte der Experte. Er habe aber noch nicht ganz verstanden, welche Vision Burkhalter habe.
SDA/mw
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