
Jetzt verbietet die EU-Kommission auch noch Weihnachten oder zumindest die Weihnachtswünsche! Die Schlagzeile aus Brüssel bestätigt alle Vorurteile. Sogar in der Schweiz, als Nichtmitglied eigentlich auf der sicheren Seite, kann man sich darüber empören. Allen voran der Präsident einer christlichen Volkspartei, die kürzlich das C aus ihrem Namen gestrichen hat und sich jetzt ganz säkular und vorbildlich Die Mitte nennt.
«Dafür hat die EU immer genügend Personal, Zeit und Geld», empörte sich Parteipräsident Gerhard Pfister auf Twitter. Aber leider ist die Schlagzeile mit dem Brüsseler Weihnachtsverbot einfach zu schön, um wahr zu sein. Die EU hat nichts gecancelt beziehungsweise untersagt, schon gar nicht den 460 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in den Mitgliedsstaaten. Die dürfen sich auch in Zukunft «frohe Weihnachten» wünschen, wenn sie denn wollen. Auslöser für den Shitstorm ist ein interner Leitfaden, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Brüsseler Behörden zu einer möglichst «inklusiven Sprache» angehalten werden.
Die rund 30’000 «Eurokraten» sollen bei öffentlichen Auftritten, Texten oder in internen Dokumenten Formulierungen wählen, die jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Herkunft oder auch religiöser Orientierung vermeiden. Da kann man ja grundsätzlich nichts dagegen haben.
Historisches Zentrum des Christentums
Brüssel sieht sich nicht selten mit dem berechtigten Vorwurf konfrontiert, Europas Diversität viel zu wenig zu reflektieren. Der Frauenanteil auch auf gehobener Verwaltungsstufe dürfte in Brüssel zwar höher sein als in den meisten nationalen Behörden. Mitarbeitende mit Migrationshintergrund sind aber noch immer sehr selten anzutreffen.
Und ja, Europa ist zwar das historische Zentrum des Christentums. Aber der Kontinent ist heute definitiv religiös heterogener, als es Kulturkämpfer und Identitätspolitiker wahrhaben wollen. Ein Zurück in die angeblich heile Welt der Grosseltern wird es nicht geben, die Vielfalt eher noch zunehmen. Als säkulare Behörde müssen EU-Kommission, Parlament oder Ministerrat den Sensibilitäten von Menschen aller Religionen und Weltanschauungen Rechnung tragen.
Der interne Leitfaden bietet allerdings unnötige Angriffsflächen. Dies vor allem bei reichlich unbeholfenen Praxisbeispielen für die angeblich politisch korrekte Sprache. So wird den Mitarbeitenden empfohlen, lieber von «stressigen Feiertagen» und nicht mehr von «stressigen Weihnachtstagen» zu schreiben.
«Malika und Julio»
Nicht alle Personen feierten die christlichen Feiertage, und nicht alle Christen feierten am selben Datum. Wenn von einem internationalen Paar die Rede ist, sollen nicht eindeutig christliche Vornamen verwendet werden. Konkret zum Beispiel «Malika und Julio» anstatt «Maria und Johannes». Bei öffentlichen Auftritten oder Schreiben sei nicht davon auszugehen, dass alle im Publikum Christen seien.
Der Leitfaden sorgte zuerst vor allem in Italien für helle Empörung, bevor der Shitstorm über die Alpen schwappte und Brüssel zum Rückzug des internen Dokuments zwang. Man ist da auf öffentlichen Druck sensibel. Brüssel verbietet nach den krummen Gurken auch noch Weihnachten und Maria, etwas bleibt da immer hängen. Die Geschichte mit den Gurken ist nicht das einzige Beispiel für eine lebende Legende. Dabei hatte einst die Agrarlobby die einheitlichen Regeln zum Krümmungsgrad des Gemüses in Brüssel durchgeboxt.

Die EU sieht sich auch jetzt eigentlich zu Unrecht am Pranger. Im Fokus steht EU-Kommissarin Helena Dalli, nicht gerade ein Schwergewicht in Brüssel. Jeder der 27 Mitgliedsstaaten pocht auf seinen Kommissar in Brüssel. Für die 59-jährige Malteserin ist nur das Dossier Gleichstellung geblieben, bei dem Brüssel allerdings kaum Kompetenzen hat. Vielleicht erklärt das, dass am Ende ein interner Sprachleitfaden von über 30 Seiten entstand. Helena Dalli will das Werk nun überarbeiten.
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Inklusive Sprache – Brüssel will «Weihnachtsgrüsse» nun doch nicht verbieten
Die EU-Kommission löst mit einem Sprachleitfaden für ihre Mitarbeitenden einen Shitstorm aus und will das interne Dokument jetzt überarbeiten.