EU und Walter-Borjans loben Widmer-Schlumpf
Die Kehrtwende der Schweizer Bundespräsidentin beim automatischen Informationsaustausch freut die EU. In der Schweiz ist der Aufschrei bei der politischen Rechten gross. Anders sieht es die Linke.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf stösst mit ihrer Aussage, dass die Schweiz mit der EU über den automatischen Informationsaustausch werde reden müssen, bei EU-Botschafter Richard Jones auf offene Ohren. «Wir begrüssen natürlich diese Diskussion», sagt Jones in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» (Artikel online nicht verfügbar).
Widmer-Schlumpfs Äusserungen seien für ihn keine grosse Überraschung gewesen. «Seit einigen Wochen stellen wir in der Schweiz den Trend fest, dass der automatische Informationsaustausch bei Meinungsmachern und Wirtschaftsführern nicht länger tabu ist», sagt Jones.
«Reaktion auf globale Entwicklungen»
Die Aussagen der Bundespräsidentin hätten diese Entwicklung bestätigt. Es sei ein positives Signal, das wohl als Reaktion auf globale Entwicklungen erfolge, vermutet Jones, «denn international geht die Reise eindeutig in Richtung des automatischen Informationsaustausches».
Widmer-Schlumpf hatte am Donnerstag anlässlich ihrer Bilanz des Präsidialjahres unter anderem gesagt, die Schweiz werde die Diskussion mit der EU über den Informationsaustausch führen müssen. Sie tönte dabei an, dass die Schweiz zu bestimmten Formen des Austauschs von Informationen bereit wäre. Es handle sich nicht um eine Frage, die mit Ja oder Nein zu beantworten sei. Vielmehr sei zu klären, welche Informationen ausgetauscht werden sollten. Nicht akzeptabel für die Schweiz sei der Austausch sämtlicher Informationen, fügte sie an.
Unterstützung von Walter-Borjans und der Schweizer Linken
Erfreut über die Gesprächsbereitschaft der Bundespräsidentin äussert sich auch Norbert Walter-Borjans, Finanzminister im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und grosser Gegenspieler der Schweiz in der Frage der Abgeltungssteuer. Widmer-Schlumpf ziehe offenbar ihre Schlüsse aus dem gescheiterten Abkommen. «Selbstverständlich wären die Überlegungen eine Grundlage für wirklich zielführende Gespräche über ein neues Abkommen», sagt er.
Unterstützung erhält Widmer-Schlumpf auch von der politischen Linken in der Schweiz und von Christian Wanner, dem Präsidenten der kantonalen Finanzdirektoren. «Es ist richtig, dass sie jetzt Gesprächsbereitschaft signalisiert und nicht erst, wenn wir noch tiefer in der Tinte sitzen», sagt Wanner. Er ist gar bereit, auch im Inland den Blick in die Bankkonten der Bürger zu erlauben. «Wenn wir Daten liefern, wollen wir diese auch im Inland nutzen dürfen», sagt er zur «NZZ am Sonntag».
Schneider-Ammann, CVP und SVP dagegen
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) stellt in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» klar: «Der Bundesrat will den automatischen Informationsaustausch grundsätzlich nicht, und ich setze mich dafür ein, ihn zu verhindern.»
Die CVP nimmt den künftigen Bundespräsidenten Ueli Maurer (SVP) in die Pflicht. «Falls die Äusserung der Finanzministerin nicht der Meinung des Gesamtbundesrates entspricht, ist es Aufgabe des neuen Bundespräsidenten, die Teamarbeit zu verbessern und solche Schnellschüsse zu verhindern», sagt CVP-Generalsekretärin Béatrice Wertli. «Die CVP macht diese Kehrtwende nicht einfach so mit», sagt Wertli.
SVP-Präsident Toni Brunner fordert: «Die Finanzministerin muss erklären, ob sie weiter hinter der Politik des Bundesrates steht und ob sie gewillt ist, die Privatsphäre der Bankkunden zu schützen.» Wenn nicht, müsse man diese Dossiers anderweitig verteilen. Einzig BDP-Chef Martin Landolt zeigt Verständnis dafür, «dass wir uns grundsätzlich dem Dialog stellen».
Kritik von FDP-Chef Müller
Nach Widmer-Schlumpfs Kehrtwende beim automatischen Informationsaustausch zeigte sich FDP-Chef Philipp Müller «masslos verärgert». In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» warf er der Bundespräsidentin vor, dem Gesamtbundesrat in den Rücken zu fallen.
Müller forderte, die Verschiebung des Staatssekretariats für Finanzfragen, das die Steuerverhandlungen führt, von Widmer-Schlumpfs Finanzdepartement ins Aussendepartement von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter.
FDP-Spitze spricht in Brief von Verrat
Aus bürgerlichen Departementen sei zu hören, die Äusserungen Widmer-Schlumpfs kämen einem Sololauf gleich, der den Bundesrat überrascht habe, schreibt die «NZZ am Sonntag». Die FDP-Spitze schickte der Bundespräsidentin demnach einen geharnischten Brief, in dem sie ihr sozusagen Verrat vorwirft. 24 Stunden nachdem die Regierung ihre Strategie zementiert und den automatischen Informationsaustausch abgelehnt habe, «fallen Sie dem Gesamtbundesrat in den Rücken und verletzen das Kollegialitätsprinzip», heisse es in dem Schreiben.
FDP-Nationalrat Ruedi Noser will die Bundesrätin in die Wirtschafts- und Abgabenkommission (WAK) vorladen. «Mit ihrem Verhalten disqualifiziert sie sich als Verhandlungspartnerin der EU», sagt FDP-Nationalrat und Unternehmer Ruedi Noser gegenüber der «SonntagsZeitung». «In anderen Ländern würde ein Minister mit diesem Vorgehen eine Regierungskrise auslösen.»
SDA/rub
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