Konflikt um UkraineEU plant «sehr starke, sehr massive Sanktionen»
Die Spannungen mit Russland überschatten den EU-Afrika-Gipfel. Bei einem Krisentreffen diskutierte die EU mögliche Sanktionen und rief Moskau zur Deeskalation auf.

Eigentlich sollte es ganz um Afrika gehen, um Rezepte für die Krisen und EU-Kredite dort. Immerhin sind 40 Staats- und Regierungschefs vom benachbarten Kontinent extra für den zweitägigen Gipfel mit ihren Amtskollegen in Europa angereist. Am Ende musste EU-Ratspräsident Charles Michel eine Stunde für Europas hauseigene Krise mit Russland reservieren und die Besucher etwas warten lassen.
«Wir rufen Russland zur Deeskalation auf», sagte der Gastgeber nach der Aussprache im Kreis der Europäerinnen und Europäer. Es brauche klare und überprüfbare Zeichen der Entspannung vor Ort. Charles Michel betonte gleichzeitig, dass im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs die Geschlossenheit und die Solidarität mit der Ukraine gross seien.
Die Runde hatte sich von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz über ihre kürzlichen Besuche in Moskau informieren lassen. Er schätze Frankreichs und Deutschlands Bemühungen, sagte Litauens Präsident Gitanas Nauseda.
Die direkten Kontakte seien wichtig, um Wladimir Putins Absichten besser zu verstehen. Nachrichten über Gefechte zwischen den von Russland unterstützen Rebellen und den Streitkräften der Ukraine erhöhten die Dringlichkeit. Gross sind die Zweifel an russischen Ankündigungen, ein Abzug von Truppen habe begonnen.
Niemand glaubt Putin
Niemand nehme die russischen Ankündigungen von einem Abzug derzeit ernst, sagte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi. Immerhin habe Russlands Präsident es geschafft, die Geschlossenheit von Nato und die EU zu stärken. «Wir setzen alles daran, eine friedliche Lösung zu finden», sagte die finnische Premierministerin Sanna Marin: «Wir bereiten gleichzeitig sehr starke, sehr massive Sanktionen vor».
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte der Runde das Paket der möglichen Sanktionen, sollte Russland tatsächlich die Ukraine angreifen und mit Truppen in das Land einmarschieren. Vorgesehen sind Strafmassnahmen unter anderem gegen russische Finanzinstitute und Oligarchen im Umfeld von Präsident Putin sowie Flugverbote. Auch dürfte die umstrittene Gaspipeline Nordstream 2 nicht in Betrieb gehen.
Nach Einschätzung der Nato könnte Russland einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine inszenieren.
Doch was, wenn Putin keine Invasion plant, die Ukraine aber mit Cyberangriffen lahmlegt und den hybriden Krieg noch intensiviert? Zuletzt griffen Hacker Banken und das Verteidigungsministerium in Kiew an. Bombendrohungen sind an der Tagesordnung. Diplomaten haben die Hauptstadt der Ukraine zum grossen Teil verlassen, Fluggesellschaften die Verbindungen eingeschränkt und Investoren machen einen Bogen um das Land. Putin könnte es darauf anlegen, die Ukraine ökonomisch zu destabilisieren, so Beobachter.
Alarmstimmung bei Nato
Die Ukraine brauche finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung, sagte Litauens Präsident Nauseda vor diesem Hintergrund. Die EU hat gerade erst ein Hilfspaket in Höhe von 1,2 Milliarden Euro beschlossen, doch mehr könnte bald nötig sein. Im Baltikum ist zudem die Sorge gross, dass Russland seine Truppen nach dem laufenden Manöver permanent in Weissrussland lässt. Für Estland, Lettland und Litauen sowie für Polen würden die russischen Truppen direkt vor der Haustür die Sicherheitslage dramatisch verändern.

Alarmiert ist auch die Stimmung beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister, das parallel wenige Kilometer entfernt am Hauptquartier des Bündnisses am Brüsseler Stadtrand stattfand. Russland habe genug Truppen und Möglichkeiten für eine gross angelegte Invasion der Ukraine mit sehr geringer beziehungsweise gar keiner Vorwarnzeit, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Der Norweger äusserte sich besorgt zu den Berichten über Kämpfe in der Ostukraine. Russland könnte einen Vorwand für einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine inszenieren.
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