«Es waren sechs Drittel, ist das richtig?»
Kloten-Trainer André Rötheli über Sauerstoffmangel und Hunger während des längsten Spiels im Schweizer Eishockey.
Ausgerechnet Denis Hollenstein. Seit 11 Spielen hatte Klotens Captain kein Tor mehr erzielt, und wenn es nach traditioneller Schweizer Rechnung gegangen wäre, hätte der Nationalspieler auch im 12. Match in Folge nicht getroffen. Doch seit diesem Jahr wird im Playoff gespielt, bis ein Tor fällt. Und so konnte Hollenstein nach 102 Minuten und 32 Sekunden Spielzeit gegen die Lakers das 3:2 erzielen. Rekord für ein Schweizer Ligaspiel.
Das Siegestor durch Hollenstein.
Für die Klotener war es ein eminent wichtiger Treffer. Sie schafften gegen die Lakers den 1:2-Anschluss in der Ligaqualifikation, statt 0:3 zurückzuliegen. Sie belohnten sich für eine kämpferisch einwandfreie, spielerisch überlegene Leistung gegen den Meister der Swiss League. Sie zeigten Moral, indem sie zweimal einen Rückstand wettmachten. Und eben: Sie betraten Neuland in Bezug auf körperliche Strapazen.
Fragender Rötheli
«Es waren sechs Drittel, ist das richtig?», fragte Kloten-Trainer André Rötheli um ein Uhr morgens etwas unsicher in die Journalistenrunde, die ihn vor der Klotener Garderobe umringte. «Es ist für beide Mannschaften eine sehr spezielle Situation», fuhr er fort, «die den Spielern bezüglich Erholung und Ernährung sehr viel abverlangt. Nicht viele haben so etwas schon erlebt.»
«Heute war es ein sehr enges Spiel – wenn es dumm geht, fällt der Puck für die Lakers ins Tor», wusste der 47-Jährige. «Bei fünf, sechs Dritteln kommt es eher zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn, und dann können kleinste Fehler entscheidend sein. Das ist nicht einfach.»
Sogar der Energiehaushalt des Trainers war ein Thema. «Ich habe zum ersten Mal während eines Spiels gegessen», so Rötheli. «Natürlich während der Pausen», präzisiert er. Die Spieler hätten sich mit Glukosegels und etwas Pasta versorgt – alles vorbereitet. «Man muss das im Voraus planen, denn der Match hätte ja auch sieben oder acht Drittel dauern können.» Gesagt habe er seinen Spielern dafür immer weniger, je länger das Spiel dauerte. «Man erzählt sonst immer das Gleiche, dann wird es langweilig», erklärte Rötheli lächelnd.
Heute Mittwoch will er seine Spieler schonen, aufs Eis sollen nur jene, die beim Rekordspiel nicht oder nur wenig zum Einsatz kamen. Am Donnerstag sollen die Energietanks wieder voll sein, wenn der EHC in der Ligaqualifikation den Ausgleich anstrebt. Es könnte ja wieder länger dauern.
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Rekorde in Playoff-Overtimes aus aller Welt.
Pizza um 2 Uhr vom Kurier, des Kämpfers einziges Tor.
Bisherige Schweizer Rekorde:
- 2017/18 National League Ligaqualifikation Kloten - Rapperswil-Jona Lakers 3:2 n.V. 102:32 Min.
- 2017/18 Swiss League Halbfinal Olten - Langenthal 4:3 n.V. 87:24 Min.
- 2017/18 Swiss League Viertelfinal Rapperswil-Jona Lakers - EVZ Academy 3:2 n.V. 81:46 Min.
Letzte Saison mussten die NL-Teams im Playoff vor dem Penaltyschiessen in eine 2. Overtime, die aber höchstens 5 Minuten dauerte.
Das längste Spiel: Joakim Jensen schiesst am 13. März 2017 um 2.32 Uhr nach 17:14 Minuten der 8. Overtime das 2:1 fürs Heimteam Storhamar gegen Sparta Sarpsborg. Rund 1000 der ursprünglich 5500 Zuschauer sind noch in der Halle, als die bis heute gültige Marke für die längste Eishockeypartie (217:14 Minuten Spielzeit) gesetzt wird. Das Spiel, Teil 5 des Best-of-7-Viertelfinals der Meisterschaft Norwegens, begann um 18 Uhr, mit der Schweizer Anspielzeit von 20.15 Uhr hätte es also bis 4.47 Uhr gedauert. Weil das Essen in der Halle ausgeht, bestellen die Teams in den Pausen Pizza vom Kurier. Knapp ein Jahr später blickt Jensen immer noch mit vielen Erinnerungen auf diese denkwürdige Nacht zurück.
Joakim Jensens Rekordtor in Norwegen um 2.32 Uhr Lokalzeit:
Erbarmen mit den Kindern: Als am Samstag, 8. März 2008, das letzte Finalspiel der regionalen Highschool-Meisterschaft im US-Bundesstaat Michigan auch nach acht Verlängerungen (à 8 Minuten) 1:1 steht, brechen die Offiziellen das Spiel ab. Aus Sorge um die Gesundheit der Kinder. Und weil es wenige Minuten vor Mitternacht ist und in Michigan Highschool-Eishockey am Sonntag verboten ist. Marquette und Orchard Lake werden zu Co-Champions erklärt.
Die 15 Minuten Ruhm des Goons: Am 22. April 2010 schreibt in der NHL im Erstrundenduell zwischen Pittsburgh und Ottawa ein Noname eine filmreife Geschichte. Ottawa steht vor dem Saisonende, als in der 3. Overtime Matt Carkner das 4:3 gelingt und die Serie auf 2:3 verkürzt. Der mittlerweile zurückgetretene Kanadier ist ein «Goon» alter Schule, einer, der oft bloss zur Massregelung gegnerischer Spieler kurz aufs Eis geschickt wird. Es bleibt Carkners einziges Playoff-Tor der NHL-Karriere.
Ottawa-Verteidiger Matt Carkners Streich in der 3. Overtime in Pittsburgh:
Der deutsche Wahnsinn: Erstmals gilt 2008 auch im DEL-Playoff: keine Penaltyschiessen mehr, spielen bis zum bitteren Ende. Am 2. Spieltag gibts bereits eine dreifache Overtime, am 3. Spieltag wird das getoppt: Philip Gogulla verewigt sich in der deutschen Sporthistorie, als er Köln gegen Mannheim in der 6. Overtime (168:16 Minuten) zum 5:4-Sieg schiesst. Bis heute ist es das längste Spiel in Deutschland. Die Homepage der deutschen Liga DEL widmet diesem Tag ein eigenes Kapitel.
Der Treffer von Philip Gogulla, der zunächst in der TV-Übertragung fälschlicherweise Sean Tallaire zugeschrieben wird:
Der Rekord, der Fans verärgerte: Das bis heute längste NHL-Spiel wird am 24. März 1936 in der 6. Overtime und nach 176:30 Minuten entschieden. Mud Brunteau schiesst das einzige Tor des Abends für Detroit gegen die Montreal Maroons. Die Lokalpresse schreibt vom Ärger der Zuschauer, «so lange auf ein Tor und die Entscheidung gewartet haben zu müssen».
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