«Es war vor allem Überforderung»
Politologe Thomas Milic hat das Nein zur USR III untersucht. Wieviel Trumpismus steckt im Volksverdikt?

War das Nein zur Unternehmenssteuerreform III (USR) ein Protest gegen die Eliten? Ein Zeichen, dass der Trumpismus die Schweiz erfasst hat, wie es nach der Abstimmung hiess?
Nein, so würde ich es nicht nennen. Es war vor allem Überforderung und Verunsicherung.
Worin zeigt sich diese?
Unsere Auswertung zeigt eine rekordverdächtig hohe Anzahl an Leuten, die sagten, sie hätten grosse Mühe gehabt, den Inhalt der Vorlage zu verstehen. Wir haben auch viele Motive zu hören bekommen, die mit dem Inhalt nichts zu tun hatten. Und all diese Leute haben tendenziell Nein gestimmt, nach dem Motto: im Zweifel Nein.
War das Nein ein Ausdruck des Vertrauensverlusts in Politik und Wirtschaft?
Unsere Zahlen zeigen, dass das Regierungsvertrauen nach wie vor sehr hoch ist. Das belegte diese Woche ja auch eine Untersuchung der OECD. Man kann also sagen: Die Stimmbürger vertrauen dem Bundesrat im Grossen und Ganzen, aber in bestimmten Fragen gibt es erhebliche Zweifel – bei den Steuerprognosen zum Beispiel. 60 Prozent stimmten der Aussage zu, dass man ja von der letzten Steuerreform wisse, dass die Ausfälle zu tief eingeschätzt würden. Hier rächte sich quasi die Vorgeschichte.
Wie sieht es mit dem Vertrauen in die Wirtschaft aus?
Es ist tiefer als in den Bundesrat, aber von einem offenen Misstrauen würde ich nicht sprechen. Wichtig ist, dass die individuelle Haltung gegenüber der Wirtschaft einen direkten Einfluss auf das Stimmverhalten hatte. Aber selbst bei jenen, die grosses Vertrauen in die Wirtschaft haben, fiel die Zustimmung zur USR nur knapp aus. Das hat mich auch überrascht.
Gilt das auch für die Wirtschaftspartei FDP? Die ist bekanntlich stolz darauf, dass ihre Basis der USR als Einzige zugestimmt hat.
Zwei Drittel der freisinnigen Anhängerschaft waren für die Reform. Im Vergleich zu früheren Steuervorlagen ist das allerdings wenig – vor allem, wenn man bedenkt, dass das eigentlich eine Links-rechts-Vorlage war.
Politiker und Medien beschrieben die Abstimmung als wichtigsten Entscheid seit Jahrzehnten. Kam das bei den Stimmenden an?
Nein. Unsere Auswertung zeigt, dass sich die Stimmbürger von der USR wenig betroffen fühlten. 43 Prozent dachten auch, dass unabhängig vom Resultat alles beim Alten bleiben würde. Man hat also den Drohszenarien auf beiden Seiten nicht geglaubt.
Was angesichts der massiven Kampagne von Befürwortern wie Gegner eigentlich erstaunt.
Ja. Es gelang den Befürwortern offenbar nicht, aufzuzeigen, was diese Reform dem Durchschnittsbürger gebracht hätte. Das Argument, dass damit Steuerprivilegien abgeschafft würden, zog nicht.
Was war speziell am Ja zur erleichterten Einbürgerung?
Selbst Leute, die man nicht als Kosmopoliten bezeichen kann, waren für die erleichterte Einbürgerung. Im Vergleich zum letzten Versuch 2004 hat das Mitte-Lager gewechselt. Und insgesamt hat das Thema wenig polarisiert.
Trotz der Burka-Kampagne aus SVP-Kreisen?
Das spielte kaum eine Rolle. Die Verbindung der dritten Ausländergeneration mit der Islamisierung, die von den Gegnern im Abstimmungskampf vorgebracht wurde, verfing bei den Befragten nicht.
Die Abstimmung vom Februar fiel in eine Zeit, als man überall den Siegeszug der Populisten für unaufhaltbar sah. Welche Rolle spielte das?
Das ist schwierig zu sagen. Wir verfügen dazu über keine Daten. Es ist möglich, dass globale Stimmungen unterschwellig in das Abstimmungsverhalten hineinspielen. Genannt haben die Befragten bei der USR aber andere Dinge: die Komplexität der Vorlage, die verworrene Gemengelage mit Abweichlern auf der Linken wie der Rechten. Aber es gibt Dinge, die wir nicht erklären können.
Welche?
Wir sehen zum Beispiel, dass 30 Prozent der Leute, die von der USR mehr Steuereinnahmen erwarteten, trotzdem ein Nein einlegten. Das ist intuitiv ein wenig bizarr. Da gibt es offenbar ein weisses Rauschen, ein «random noise», das vielleicht nicht so zufällig ist. Möglich, dass da manche auch ein Zeichen setzen wollten. Aber in den Daten nachweisbar ist das nicht.
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