«Es war so kalt, dass Vögel tot vom Himmel fielen»
Die Woche hat eisig kalt begonnen. Doch historische Daten zeigen: Zürich hat schon viel schlimmere Kältewellen erlebt.
Das Bodenseeufer verwandelt sich in eine Eislandschaft, die Armee kürzt einige Märsche ab, und die Nachfrage nach Heizgeräten steigt: Die Kältewelle aus Nordosteuropa hat die Schweiz erreicht und ihr einen klirrend kalten Wochenstart beschert. Den Tiefpunkt erreichten die Temperaturen in Zürich just während des Pendlerverkehrs kurz vor 8 Uhr, als das Quecksilber bei der Messstation Fluntern auf –11,1 Grad sank.
Aber wie kalt ist das im historischen Vergleich? Der Klimatologe Stephan Bader von Meteo Schweiz hat für Redaktion Tamedia die Daten eben jener Messstation Fluntern ausgewertet und die Kälterekorde seit Messbeginn 1881 herausgesucht. Selbst in der Station Fluntern, die vom wärmeren Zürcher Stadtklima beeinflusst wird, beginnen die Top Ten der Tage mit den tiefsten Minimumtemperaturen erst bei knapp –20 Grad.
Der absolute Zürcher Kälterekord wurde gemäss den Daten von Meteo Schweiz vor 89 Jahren erreicht: am 12. Februar 1929. An jenem Dienstag sank die Temperatur an der Messstation Fluntern auf –24,7 Grad. Ganz allgemein war es ein bitterkalter Monat: Der Februar 1929 ist der viertkälteste Monat, der sich überhaupt in den Daten von Meteo Schweiz finden lässt.
In jenem Winter fror auch der Zürichsee zu. Der Umwelthistoriker Christian Pfister von der Universität Bern erklärt, weshalb das Gefrieren der Seen ein gutes Merkmal eines richtig kalten Winters ist: «Der entscheidende Punkt sind nämlich nicht die Minimumtemperaturen, sondern die Kältesummen – also wie lange es wie kalt bleibt.» Und wenn eine Kältewelle den Zürich- oder gar den Bodensee zuzufrieren vermag, müssen die Leute auch entsprechend viel heizen.

1929 wurde noch mit Kohle geheizt. Zwar seien in jenem Winter die Kohlepreise gestiegen, aber eine Knappheit sei nicht entstanden, so Pfister. Auch die Ernährungssituation war nicht prekär, zumal die Schweiz auch Waren importieren konnte. Diese beide Aspekte wurden für die Bevölkerung während des Ersten Weltkriegs im vergleichsweise milderen Winter von 1917 viel eher zum Problem.
«Einer der schlimmsten Winter betreffend der Kältetoten war 1709»
Historisch waren Winter vor allem auf dem Land hart, wo die Isolierung der Häuser – speziell der ärmeren Bevölkerung – vergleichsweise schlecht war. «Da zog die Bise teils direkt durch die Stube», so Pfister. «Einer der schlimmsten Winter betreffend der Kältetoten war 1709.» In diesem Winter kam es an einem Tag zu einem sehr abrupten Kältesturz von 20 Grad. «Am Abend waren die Leute noch in der Beiz, es regnete», so Pfister. «Und dann am Morgen war alles Stein und Bein gefroren. Da gab es Kältetote. Viele Leute bekamen auch in ihren Betten nicht warm genug und hatten nicht genug zu essen. Es war so kalt, dass die Vögel tot vom Himmel fielen.»
Der kälteste Tag überhaupt wurde in den Meteo-Schweiz-Daten am 10. Februar 1956 registriert, als selbst in der Stadt bei Fluntern die Tagesdurchschnittstemperatur auf –20,6 Grad sank. Jener Februar ist insgesamt auch in den historischen Daten bis 1760, auf die Pfister Zugriff hat, der kälteste aufgezeichnete Februar überhaupt.
Doch auch hier sei die Dauer und die Tiefe der Kältewelle (also die «Kältesumme») ausschlaggebend, sagt Pfister. So war der Februar 1956 zwar ein absoluter Rekordmonat, aber er vermochte in Zürich keine vollständige Seegfröörni herbeizuführen. Allerdings trat in der noch kälteren ländlichen Umgebung der Stadt ein anderes spezielles Phänomen auf: «Um –30 Grad beginnt das: Bäume, die schon ein bisschen im Saft sind, denen platzt die Rinde auf. Das tönt wie Kanonenschüsse», so Pfister. «Da ist das, was wir jetzt haben, ein Schnäppchen dagegen.» Die nächste Seegfröörni trat dann im Winter 1963 auf.

Wie schützte sich die Bevölkerung damals vor der Kälte? «Ich muss mir das nicht vorstellen, ich habe ja 1956 und 1963 selbst erlebt», erklärt Pfister. «Da hatte man halt keine wattierten Jacken aus Kunststoff. Wir hatten wollige Pullover. Man ist nicht erfroren, aber ein bisschen gefroren hat man einfach.»
Von den späten 1950er-Jahren an heizte man in der Schweiz mit Öl. Auch wegen der Weltwirtschaftslage waren die Winter 1956 und 1963 somit unproblematisch. «Die Preise für Öl sind gestiegen. Aber wir hatten genügend Öl, auch auf dem Land. Das war kein Problem, und es gab keine Kältetoten.»
----------
Video: Was man gegen die Kälte tun kann
Fotos: Zürich ganz cool
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch