
Mitten in der Krise um die Übernahme der Bührle-Sammlung fehlt der Steuermann. Christoph Becker, der Direktor des Kunsthauses Zürich, duckt sich weg, wo er kann. Verliert seine Beherrschung bei der kleinsten Kritik. Steht nicht Rede und Antwort. Wird neuerdings gar vom Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses Ronald S. Lauder mittels Anwalt zurechtgewiesen. Und er hat keine Vorstellung davon, wie man die Sammlung Bührle zu einem Ort schweizerischer Erinnerungskultur machen könnte.
Die «NZZ am Sonntag» meldet, dass sich Becker mit falschen Federn geschmückt habe. Als er den Journalisten am vergangenen 15. Dezember bei einer gross anberaumten Medienkonferenz erzählte, dass er Ronald S. Lauder vor der Einrichtung des Dokumentationsraums zur Bührle-Ausstellung um Rat gefragt habe, stimmte das nicht.
Beckers Halbwahrheiten
«Ich wurde zum Informationsraum nicht konsultiert, wie das Kunsthaus Zürich inzwischen bestätigt hat, und ich habe auch keine Meinung zum Informationsraum geäussert», erklärte Lauder über seinen Zürcher Anwalt.Also log Christoph Becker? Es war wohl eine der klassischen «Halbwahrheiten», welche die Basler Literaturwissenschaftlerin Nicola Gess in ihrem Buch mit dem gleichlautenden Titel analysierte.
Bei seinem Gespräch mit Ronald S. Lauder im Jahr 2016, als dieser am Kunsthaus Zürich einen Vortrag hielt, hat ihm Becker gemäss «NZZ am Sonntag» erläutert, dass man die Sammlung Bührle mit einem Dokumentationsraum begleiten würde. Das als Konsultation zu bezeichnen, ist sehr verwegen. Die Presseabteilung gibt sich aber weiterhin stur: «Christoph Becker weist die Unterstellung, er habe die Öffentlichkeit nicht richtig informiert, ausdrücklich zurück.»
Demeester soll übernehmen
Die Lauder-Halbwahrheit bringt das Fass der kommunikativen Fehlleistungen durch das Kunsthaus Zürich zum Überlaufen. Statt die Übernahme der Bührle-Stiftung zum grossen Erfolg des Kunsthauses werden zu lassen, wurde sie unter Beckers Direktion zum grossen PR-Desaster. Statt sich Hilfe bei einer auf Krisenkommunikation spezialisierten Agentur zu holen, wie es wohl jedes andere Unternehmen in einem solchen Fall gemacht hätte, schaltet das Kunsthaus auf stur und machte die Pressekonferenz am 15. Dezember zu einer einzigen Rechtfertigungsorgie.
Lassen Sie es genug sein, Herr Becker! Übergeben Sie das Zepter möglichst bald der designierten Nachfolgerin Ann Demeester! Sie kommt schon ab Februar regelmässig nach Zürich. Es braucht jetzt einen Befreiungsschlag! Nebenbei gesagt: In Anbetracht des Scherbenhaufens, den Sie Demeester hinterlassen, erübrigt sich wohl auch die exorbitant lange, einjährige Einarbeitungszeit für Ihre Nachfolgerin, die Sie sich ausbedungen haben. Immerhin handelt es sich bei Ann Demeester um die erfolgreiche Direktorin des Frans-Hals-Museums in Haarlem.
Erinnerungsort
Das Kunsthaus braucht jetzt einen frischen, unverstellten Blick auf seine Sammlungen, die man nochmals durchleuchten, neu kontextualisieren und eventuell zu Teilen restituieren muss. Und es sollte unbedingt Hand dazu bieten, im weitesten Sinne historische Verantwortung zu übernehmen. Warum eigentlich macht man aus dem Chipperfield-Bau nicht einen schweizerischen Erinnerungsort, der an die komplizierten Verstrickungen der Schweiz mit dem nationalsozialistischen Deutschland erinnert?
Christoph Heim ist Redaktor im Ressort Leben und schreibt am liebsten über Kunst und Kultur. Er arbeitet seit dreissig Jahren im Journalismus und war zehn Jahre lang Ressortleiter Kultur bei der Basler Zeitung.
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Kommentar zum Kunsthaus Zürich – Es reicht jetzt, Herr Becker! Übergeben Sie das Zepter an Ann Demeester!
Museumsdirektor Christoph Becker scheitert an der Integration der Bührle-Sammlung in das Kunsthaus Zürich. Nun wird er sogar vom Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses korrigiert.