«Es macht mich traurig, dass man das VBS so gering schätzt»
Alt-Bundesrat Adolf Ogi spricht über Skandale und Möglichkeiten im VBS. Was er der ersten Schweizer Verteidigungsministerin rät.

Herr Ogi, erstmals wird eine Frau Chefin des VBS. Wie kommentieren Sie dies?
In Frankreich steht eine Frau dem Verteidigungsdepartement vor, in Deutschland ebenfalls und nun auch in der Schweiz. Kein Problem. Die Bundesrätin, die das Departement übernimmt, muss aber von Anfang zeigen, dass sie berufen ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Und sie muss deutlich machen: Ich bin die Chefin.
Am Freitag hat der Bundesrat die Departementsverteilung vertagt – weil niemand das VBS haben wollte, Ihr früheres Departement.
Es macht mich traurig, dass man dieses Departement so gering schätzt. Und es ist auch völlig falsch – das VBS ist ein grossartiges Departement! Als dessen Vorsteher muss man aber wollen: Man muss führen wollen, man muss entscheiden wollen, und man muss Freude am Umgang mit den Generälen haben.
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Sie waren aber auch nicht freiwillig in das damalige EMD gegangen.
So ein Blödsinn! Das stimmt nicht, das will ich hier deutlich sagen. Man hat mich nicht dazu gedrängt. Als ich in den Bundesrat kam, stand ich erst dem Eved vor, dem heutigen Uvek von Doris Leuthard. Ich war dort erfolgreich, Stichworte Neat, Bahn 2000, S-Bahn oder Autobahnen. Nach acht Jahren wollte ich aber noch etwas anderes machen. Interessant wurde das EMD für mich auch, weil man ihm den Sport und den Bevölkerungsschutz übertragen hat.
Was gefiel Ihnen am meisten?
Man konnte etwas bewirken: Ich habe während des Kosovokriegs gesagt, ich will mit drei Super Pumas eine Luftbrücke bauen, um Verletzte nach Albanien ausfliegen zu können. Ich habe gesagt, ich will eine Sportlerrekrutenschule in Magglingen realisieren und eine Partnerschaft für den Frieden – einer der besten Verträge, den die Schweiz je abgeschlossen hat. Ich habe das alles durchgesetzt.
Seit Ende des Kalten Kriegs hat das VBS an Bedeutung verloren, nicht nur im Bundesrat.
Das stimmt nicht. Die Herausforderungen sind heute gross, wenn Sie die internationale Lage betrachten. Die Unsicherheit ist auf der ganzen Welt gestiegen – und in der Schweiz ist der Zuspruch zur Armee gar gewachsen. Die Schweiz, die weder EU- noch Nato-Mitglied ist, muss nun beweisen, dass sie die Sicherheit ernst nimmt, dass sie eine starke Armee hat und eigenständig ist. Und abgesehen davon: Wen braucht es, wenn es in den Bergen zu einem Felssturz kommt oder wenn in Davos das WEF durchgeführt wird? Ohne Armee könnte man das WEF vergessen. Vor allem wenn sich Personen wie Donald Trump oder Kim Jong-un ankündigen.
Das Verteidigungsdepartement ist angreifbar und wohl auch deshalb unter Bundesräten nicht sehr beliebt. Es geriet wiederholt in die Schlagzeilen, zuletzt wegen eines Spesenskandals.
Als ich das EMD übernommen habe, war ich auch mit Problemen konfrontiert. Aber ich habe sie offensichtlich gelöst – so verhindert man, dass Skandale daraus werden.
Müsste man das VBS aufwerten, damit es für Bundesräte attraktiver ist? Etwa, indem man ihm Ämter anderer Departemente überträgt?
Nun, es ist schon eine Weile her, seit ich dem Bundesrat angehörte – ich wurde fast auf den Tag genau vor 31 Jahren in die Landesregierung gewählt. Aber der Bundesrat sollte tatsächlich darüber diskutieren, ob die Ausgeglichenheit zwischen den Departementen noch gegeben ist, ob sie klar strukturiert und führbar sind. Dabei darf nicht das Prestigedenken entscheidend sein.
Beobachter sagen, man müsste mehr aus dem VBS machen. Vor allem die Sicherheitspolitik würde sich dafür anbieten.
Ja, das stimmt. Ich habe als Departementsvorsteher gesagt, ich will mit unseren Soldaten nach Sarajevo gehen und einen Beitrag zur Stabilität der Länder des ehemaligen Jugoslawiens leisten. So habe ich die Gelbmützen ins Leben gerufen. Im VBS hat man viele Gestaltungsmöglichkeiten – aber man muss sie nutzen. Man muss ein Gestalter und nicht ein Verwalter sein. Als ich in den Bundesrat kam, hat man mich belächelt. Aber ich bin ein willensstarker Mensch und führe mit allen Konsequenzen.
Sie sprechen vor allem von den Vorteilen Ihres früheren Departements. Was waren die Nachteile?
Wenn man mit Freude und Begeisterung an seine Arbeit herangeht, dann hat man Lust, Probleme zu lösen.
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