«Es ist sicher brutaler als früher»
Abfall, Alkohol, brutale Schlägereien, sexuelle Belästigungen und viel Gewalt: Die «DOK» von SRF zeichnet ein bedenkliches Bild von Basel.

Die Gewalt auf den Schweizer Strassen nimmt zu: Kein Wochenende vergeht ohne Schlägereien. Immer häufiger werden auch Messer und manchmal sogar Schusswaffen eingesetzt. Seit Jahren ein besonderer Hotspot der Gewalt ist Basel: In keiner anderen Schweizer Stadt ist die Zahl der Gewaltdelikte im Vergleich zur Einwohnerzahl höher. Die «DOK» von SRF machte sich auf die Spur der Gewalteskalation am Rheinknie.
Das Kamerateam erzählte die Geschichte anhand eines geläuterten Problemjugendlichen. Gefunden hat Leutschenbach allerdings keinen Basler. In den Fokus rückte SRF den 27-jährigen St.Galler Rapper Ajrim Wüst, der seit einigen Jahren am Rheinknie lebt und eine lange gewalttätige Vergangenheit hat. Wüst zeigte den TV-Leuten «sein» Basel und jene Ecken, wo es am Wochenende gang und gäbe sei, dass es «klöpft». Die Stimme aus dem Off doppelt nach: «Wer eine Schlägerei sucht, der findet sie.» Wie zum Beweis wird das Kamerateam selbst Zeuge von Gewalt: Während eines Interviews mit dem unbekannten Rapper eskaliert im Hintergrund eine Auseinandersetzung. Die Kamera hält voll drauf und zeigt, wie ein bedauernswertes Opfer mehrere harte Schläge kassiert. Niemand greift ein, weder das mehrköpfige Kamerateam noch die umstehenden Menschen. Irgendwann trifft die Polizei ein und beendet die Schlägerei.
Nur wenige Minuten zuvor liessen die Filmer in Zürich einen nachdenklichen Remo Schmid etwas vorwurfsvoll in die Kamera sprechen: «Menschen helfen sich nicht mehr gegenseitig. Das ist einfach so.» Schmid ging 2017 dazwischen, als eine Frau von einem Mann in Dübendorf auf offener Strasse verprügelt wurde. Dafür hat er den Prix Courage erhalten.
«Gewalt gehört dazu»
In Basel sind solche Schlägereien offenbar «Standard», darf Ajrim Wüst unwidersprochen sagen. Die beiden Jugendpolizisten Tosca Stucki und Jan Wildhaber, die von SRF auf ihren Einsätzen begleitet wurden, doppeln nach: «Es ist sicher brutaler als früher, die Täter greifen schneller zu Gegenständen und es ‹klöpft› auch schneller», sagt Wildhaber. Für Stucki gehört die Gewalt mittlerweile zur Gesellschaft. Es sei heute «ganz normal, dass man als Frau oder junges Mädchen begrapscht» werde, ergänzt Stucki. «Da hat sich der Blickwinkel der Jugendlichen verschoben».
Der Ostschweizer Rapper gibt sich mittlerweile geläutert. Die Kamera begleitet ihn nach Altstätten ins St. Galler Rheintal. Dort ist Wüst aufgewachsen. Dort hatten alle Angst vor ihm. Das hat ihm Macht verliehen, heute sei es ihm peinlich. So ganz nimmt man es dem 27-Jährigen aber nicht ab.
Bei einer Begegnung mit Jugendlichen schauen diese bewundernd zu ihm auf, der sich mit Fäusten in seiner Heimat Respekt verschafft hat. So ganz kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Wüst dies zumindest nicht unangenehm ist, auch wenn er sie ermahnt, dass deren Mütter bestimmt nicht stolz auf sie sein werden, wenn sie verhaftet werden. Wüst zeigte dem Fernsehteam den Aktenstapel mit den gegen ihn geführten Strafverfahren. Das sei aber Vergangenheit, sagt er treuherzig.
Beklemmend sind die extremen Szenenwechsel in der Dok. Da sind Wüst und im Gefängnis Saxerriet der heute 22-jährige Messerstecher David, der beinahe einen Passanten wegen 43 Franken umgebracht hätte. Beide geben sich sichtlich Mühe, nett und sympathisch zu wirken, und betonen bei jeder Gelegenheit, wie sehr sie sich verändert haben dank der Zwangshilfe des Staates.
Frauen sind selber schuld
Dazwischen streut die Dok Bilder, die ein anderes Bild zeigen: Lärm, Abfall, Alkohol und Jugendliche, die sich selbst nicht mehr spüren. Der eine mit Migrationshintergrund sagt in Zürich in die Kamera, Frauen müssten sich nicht wundern, dass sie begrapscht werden, wenn sie in kurzen Miniröcken unterwegs sind. Ein anderer mit Migrationshintergrund darf in Basel mit ein bisschen Stolz sagen, es seien halt «80 Prozent Kanaken hier», da müsse man «für alles bereit sein». Immerhin bemühen sich die TV-Leute zu sagen, das die Gewalt ein «gesellschaftliches Problem» sei, das Schweizer und Ausländer gleichermassen betreffe.
Am Ende lässt die Dok den Zuseher mit dem Gefühl zurück, dass man um die Basler Innenstadt am Wochenende einen grossen Bogen machen sollte: Wer dort spätabends unterwegs ist, hat gute Chancen, belästigt, verprügelt oder ausgeraubt zu werden. Andere Bilder wurden keine gezeigt.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch