«Es ist mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen»
Fasnächtler sind nach dem Todesfall in Liesberg schockiert. Die Obmänner denken über strengere Sicherheitsvorkehrungen nach.

Der tragische Unfall in Liesberg beschäftigt auch jene Fasnächtler, deren Umzüge noch bevorstehen. «Ich war schockiert, als ich davon gehört habe. Die grösste Angst ist natürlich immer, dass so etwas am eigenen Umzug passieren könnte», sagt Rico Tirri, Präsident der Gelterkinder Fasnacht (Gefa). Auch der Vorsteher der Fasnachtsgesellschaft Sissach (FGS), Fabio Fedriga, hat die Nachricht «mit Schrecken» aufgenommen: «Ein solcher Vorfall ist für uns alle, für die ganze Fasnacht, absolut tragisch.»
Bestürzt zeigt sich auch Lukas Leuenberger. Er ist Präsident der Guggä-Rugger aus Buus, die jeweils am Umzug in Sissach teilnehmen und insbesondere für ihre extravaganten und auffällig grossen Wagen-Konstruktionen bekannt sind. «Als ich von dem Vorfall in Liesberg gelesen habe, ist es mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen», sagt Leuenberger. Auch in diesem Jahr warten die Buusner wieder mit einem ganz besonderen Wagen auf. «Wir achten stets darauf, dass wir alles doppelt und dreifach schweissen. Aber ein Restrisiko bleibt halt immer.»
Sissach reagiert
Nach dem Ereignis in Liesberg wollen sich FGS-Präsident Fedriga und ein Vorstandskollege dieser Tage mit einer Gruppierung treffen, die einen zweistöckigen Wagen besitzt. Gemeinsam soll analysiert werden, ob es für so hohe Konstruktionen allenfalls noch strengere Sicherheitsvorkehrungen braucht. «Wir haben schon heute ein umfassendes Reglement. Aber wenn man das Risiko für einen Unfall in irgendeiner Form noch minimieren kann, sind wir die Ersten, die das tun werden», sagt Fedriga.
Bisher ist in den Sissacher Vorschriften festgehalten: «Die Wagen sind so auszustatten, dass die mitfahrenden Personen während der Fahrt am Umzug vor dem Herunterfallen geschützt sind.» Ausserdem muss sowohl der Wagen als auch das Zugfahrzeug bis zwanzig Zentimeter ab Boden rundum mit festen Materialien eingekleidet sein.
Damit orientiert sich die FGS am Vorbild der Basler Fasnacht. Dort ist es ebenfalls Pflicht, den Wagen möglichst bis in Bodennähe zu bauen, seit es im Jahr 2007 zu einem tödlichen Unfall gekommen war. Ein sechsjähriger Junge wollte auf dem Barfüsserplatz ein Dääfeli vom Boden aufnehmen und wurde dabei von einem Waggiswagen überrollt. Im Spital erlag er kurz darauf seinen Verletzungen.
Auch in Gelterkinden müssen die Räder der Fasnachtswagen mindestens zur Hälfte und die Zugfahrzeuge so verschalt sein, dass die Zuschauer die Räder nicht berühren können. Dies werde vom Vorstand der Gefa strikt kontrolliert und es würden keine Ausnahmen gemacht: «Dieses Jahr hatten wir einige Anfragen von Formationen, deren Wagen nicht verschalt sind. Diesen mussten wir absagen. Da bleiben wir hart», sagt Obmann Rico Tirri.
Im Kantonshauptort hingegen sieht man bewusst von einer Verschalung ab. Ruedi Schafroth, Präsident des Fasnachtskomitees Liestal, erklärt, dass die Verkleidung eines Traktors zu Versicherungsproblemen führen könnte. Sämtliche Zugfahrzeuge, die an einem Fasnachtsumzug mitfahren, müssen von der Motorfahrzeugkontrolle abgenommen sein. «Wenn im Nachhinein etwas an der Silhouette des Fahrzeugs geändert wird, zahlt die Versicherung nicht», so Schafroth. Für ihn sei deshalb klar, dass das Strassenverkehrsgesetz «über allem» stehe.
Pflicht sind in Liestal jedoch Bänder, die verhindern, dass jemand zwischen das Zugfahrzeug und den Anhänger geraten kann. Seit dem tödlichen Unfall sind diese auch in Basel vorgeschrieben. Ausserdem hat die Basler Polizei seither eine Betriebssicherheitsprüfung für alle Wagen eingeführt, wie Comité-Obfrau Pia Inderbitzin sagt. Eine solche Prüfung ist auch in Liestal obligatorisch.
Der Verunglückte in Liesberg ist aus drei bis vier Metern Höhe auf den Boden gestürzt. Am Umzug in Liestal ist die Höhe der Konstruktionen durch das Törli begrenzt. «Bei uns in Basel geben die Tramleitungen die maximale Höhe vor», sagt Inderbitzin.
Der Gelterkinder Rico Tirri stellt fest, dass in den letzten Jahren immer noch höhere und ausgefallenere Wagen gebaut werden. «Ich war selbst während dreissig Jahren auf einem Waggiswagen. Wir waren immer so weit unten, dass wir mehr oder weniger auf Augenhöhe mit den Zuschauern kommunizieren konnten», sagt Tirri.
Alkohol: Appell an Selbstdisziplin
Auch in Sissach ist die Höhe der Wagen ein Thema. Im Falle von zweistöckigen Konstruktionen darf sich der Nachwuchs am Kinderumzug seit diesem Jahr nur noch in der unteren Etage aufhalten. «Damit wollen wir den Kindern auch die Tradition des Intrigierens vermitteln. Sie sollen mit den Leuten in Kontakt treten», sagt Fedriga.
Wie der Baselbieter Polizeisprecher Adrian Gaugler sagt, wird im Zuge der laufenden Ermittlungen auch untersucht, ob beim Unglück in Liesberg Alkohol im Spiel gewesen ist. In Sissach gelten für den Fahrer 0,0 Promille. «Beim Alkoholkonsum auf den Wagen hingegen appellieren wir an die Selbstdisziplin», sagt Fedriga.
Guggä-Rugger-Präsident Lukas Leuenberger ist froh, dass es sich bei seiner Formation nicht um eine Wagenclique, sondern um eine Guggenmusik handelt. «Weil sie ja noch spielen müssen, trinken unsere Leute vor dem Umzug automatisch nicht zu viel», sagt er. Ausserdem gibt es für sie während des Umzugs keine Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen.
Schlimme Vorfälle sind an der Fasnacht im Baselbiet selten. Einen überraschenden Todesfall gab es allerdings 2018 in Reinach: Während eines Guggenkonzerts ist ein 52-Jähriger zusammengebrochen und verstorben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch