
Es geht um eine einfache Frage, wenn wir am 9. Februar darüber abstimmen, ob die Antirassismusstrafnorm erweitert werden soll. Soll es gestattet sein, Schwule und Lesben als minderwertig zu behandeln? Sie als krank zu bezeichnen und ihnen Dienstleistungen zu verweigern, etwa im Restaurant? Oder soll dieses Verhalten künftig bestraft werden?
Viele Gegner der Vorlage beginnen ihre Stellungnahme so: «Ich habe nichts gegen Homosexuelle, und ich verurteile Diskriminierung ebenfalls.» Und dann kommt das umständliche Aber. Die Meinungsäusserungsfreiheit sei gefährdet, wenn Hass und Diskriminierung gegen Homosexuelle verboten würden. Das Strafrecht sei das falsche Mittel, um Homophobie zu bekämpfen. Und warum sollten gerade Homosexuelle geschützt werden? Warum nicht auch Dicke, Alte und Kranke?
Fünf Jahre lang hat das Parlament mit diesen Argumenten gerungen, ehe es vor einem guten Jahr die Antirassismusstrafnorm erweiterte. Der Entscheid ist richtig. Denn Lesben, Schwule und Bisexuelle (und übrigens auch Transmenschen und Intersexuelle, die das Parlament nicht ins Gesetz aufnehmen wollte) werden auf eine Weise schikaniert, die in ihrer Häufigkeit und Intensität nicht akzeptiert werden darf. Im Lebensmittelgeschäft, im Bus, auf der Strasse, in Internetforen – viele Betroffene berichten davon. Meistens sind die Sprüche lästig, oft aber auch jenseits dessen, was eine Gesellschaft hinnehmen kann. Die hohe Suizidrate bei jungen Homosexuellen, die gehäuften Sorgentelefone bei den Schwulen- und Lesben-Verbänden, Gewalt gegen Männerpaare sowie Umfragen, in denen junge Leute ihre Verachtung gegenüber Homosexuellen hemmungslos äussern: All das ist Grund zum Handeln.
«Wer nicht will, dass Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren dürfen, würde das weiterhin sagen können.»
Die Gegner sagen, dass sie Hass und Diskriminierung ebenfalls ablehnten. Sie sagen aber nicht, was sie dagegen tun wollten. Für den Zusatz im Strafgesetzbuch spricht dies: Das Strafrecht schützt Güter wie Leib und Leben, aber eben auch die Menschenwürde. Es markiert die Grenze dessen, was unsere Gesellschaft toleriert. Das Strafrecht vermag die Menschen nur bis zu einem gewissen Grad zu disziplinieren. Sonst gäbe es keine Tötung und keine Körperverletzung mehr. Niemand käme jedoch auf die Idee, das Verbot von Tötung und Körperverletzung zu hinterfragen, weil es zu wenig Präventivwirkung entfalte. Für den gesellschaftlichen Frieden ist es wichtig, dass bestraft wird, wer jemandem Gewalt antut. Und es ist ebenso wichtig, dass bestraft wird, wer jemandes Menschenwürde mutwillig verletzt.
Die Angst vor dem «Maulkorb» – sie ging schon in den Neunzigerjahren um, als die Antirassismusstrafnorm eingeführt wurde. Man werde das Asylrecht nicht mehr verschärfen dürfen, befürchteten Politiker. Und man werde in asylpolitischen Debatten nicht mehr Klartext reden können. Die Sorgen waren unbegründet. Das Asylrecht wurde danach laufend verschärft, und in der Migrationspolitik wurde der Ton gröber und unflätiger. Die Antirassismusstrafnorm hält die Leute also nicht davon ab, ihre Meinung zu sagen. Nutzlos ist sie deshalb nicht. Es ist wichtig für das kollektive Bewusstsein, dass die gezielte Verletzung der Menschenwürde von Amtes wegen verfolgt wird.
«Bestraft würde, wer Homosexuelle in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt – was kaum im Sinne des christlichen Glaubens ist.»
Wer nicht will, dass Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren dürfen, würde das weiterhin sagen können. Erlaubt wäre es auch zu sagen, dass Homosexualität laut der Bibel eine Sünde sei. Bestraft würde hingegen, wer Homosexuelle in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt – was kaum im Sinne des christlichen Glaubens ist. Auch deshalb befürwortet die Evangelisch-Reformierte Kirche Schweiz die Erweiterung der Strafnorm.
Was uns zu denken geben sollte: Das Gesetz braucht es nur deshalb, weil Anstand und Respekt nicht gelebt werden. Hass und Aggressivität prägen politische Debatten, und sie prägen den Austausch in vielen Bereichen. Würden wir die Werte, die schon Kleinkinder lernen sollten, hochhalten und ihnen nachleben, müssten wir die Strafnorm nicht erweitern. Wir könnten sie abschaffen.
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Es gibt keine Zweitklass-Menschen
Lesben und Schwule werden in einer Art und Häufigkeit schikaniert, die der Staat nicht akzeptieren kann.