Erdogan bekennt sich bei Vereidigung zum Rechtsstaat
In Ankara wurde Recep Tayyip Erdogan als erster vom Volk direkt gewählter Präsident vereidigt. Die grösste Oppositionspartei befürchtet, er könnte die Demokratie aushöhlen – ihre Vertreter verliessen den Saal.

In der Türkei ist der bisherige Regierungschef Recep Tayyip Erdogan heute als neuer Präsident vereidigt worden. Der islamisch-konservative Politiker legte den Amtseid bei einer feierlichen Zeremonie vor dem Parlament in der Hauptstadt Ankara ab, die von der grössten Oppositionspartei CHP boykottiert wurde. Am Nachmittag dürfte er den bisherigen Aussenminister Ahmet Davutoglu zum neuen Ministerpräsidenten ernennen und mit der Regierungsbildung beauftragen.
Erdogan bekannte sich bei seiner Vereidigung zur türkischen Verfassung, zum Rechtsstaat und zur Demokratie. Mit der Neuvergabe beider Ämter wird auch die Personalrochade an der Spitze der türkischen Regierungspartei AKP vor der Parlamentswahl 2015 besiegelt.
Kabinett bis Freitag erwartet
Erdogan war am 10. August bei der ersten Direktwahl eines Staatschefs in der Türkei zum Präsidenten und Nachfolger seines Parteikollegen Abdullah Gül gewählt worden, der das Präsidentenamt seit 2007 inne hatte. Seine Ämter als Partei- und Regierungschef musste Erdogan niederlegen, um an die Staatsspitze rücken zu dürfen.
Davutoglu wurde am Mittwoch von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zum neuen Parteivorsitzenden gewählt und damit auch für das Amt des Regierungschefs nominiert. Sein Kabinett soll bis Freitag stehen.
Erdogan ist der nunmehr zwölfte Präsident in der modernen Landesgeschichte und will das bisher weitgehend repräsentative Amt mit mehr Einfluss versehen: Der 60-Jährige strebt den Wechsel von einer parlamentarischen Demokratie zu einem Präsidialsystem mit grösseren Machtbefugnissen für das Staatsoberhaupt an. Die dafür notwendige Verfassungsänderung soll die AKP nach der Wahl im Juni 2015 durchsetzen – mit dann ausgebauter Mehrheit im Parlament.
Boykott und Verweigerung von Applaus
Die türkische Opposition befürchtet eine systematische Aushöhlung der Gewaltenteilung, zumal Erdogan seit seinem Amtsantritt als Regierungschef vor elf Jahren als eigentlicher starker Mann der Türkei gilt. Aus Protest gegen den neuen Präsidenten verliessen die Abgeordneten der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP) noch vor der Vereidigung den Plenarsaal. Ihrer Ansicht nach hätte Erdogan seinen Posten als Regierungschef sofort nach dem Sieg bei der Präsidentschaftswahl niederlegen müssen und nicht erst zwei Wochen später. Vertreter der Oppositionspartei MHP verweigerten Erdogan den Applaus.
Erdogans fünfjähriges Mandat als Präsident kann einmal verlängert werden. Nach derzeitiger Mehrheitslage darf er sich also gute Chancen ausrechnen, bis 2024 an der Staatsspitze zu stehen.
AFP/rub
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