«Er weiss alles»
Schwedens Finanzminister Anders Borg hat für Aufsehen gesorgt, als er die Euro-Spekulanten als reissende Wölfe beschimpfte. Auch sonst stellt er manchen Kollegen in den Schatten.
Die EU-Finanzminister haben beschlossen, für die Euroländer einen Rettungsfonds von über 750 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Damit reagieren sie auf den drohenden Flächenbrand im Gefolge der Griechenland- und Euro-Krise. An der Dringlichkeitssitzung am Wochenende hatte der schwedische Finanzminister Anders Borg mit drastischen Worten für ein massives Rettungspaket geworben. Die Attacken von Spekulanten auf die Einheitswährung glichen dem Verhalten von Wolfsrudeln, sagte er öffentlich. «Wenn wir dieses Rudel nicht stoppen, werden sie die schwächsten Länder zerreissen.»
Solche Aussagen passen zum 42-jährigen Schweden, der gar nicht dem Bild eines typischen Ministers entspricht. «Schwedens langhaariger Maverick-Minister», schrieb einst eine schwedische Zeitung. Im englischen Sprachgebrauch ist ein Maverick eine Person, die Unabhängigkeit in Denken und Handeln zeigt, ein Non-Konformist oder Rebell. Medien haben ihm auch das Image eines Rockers der Politik verliehen.
Karriere als Banker
Anders Borg, der seit 2006 Finanzminister ist, trägt einen Rossschwanz und einen Ohrring. In seiner Jugend vertrat er libertäre Ideen. Er engagierte sich für die Drogenlegalisierung und rauchte Cannabis. Von ihm stammt der provokante Spruch, «dass Parlament und Demokratie unnötig sind für Menschen, die ihr Leben mit ihrem eigenen Geld bestreiten können». Dennoch fand der junge Wirtschaftswissenschaftler rasch den Weg in die hohe Politik. Nach dem Sieg der Bürgerlichen im Jahr 1991 wirkte er als Redenschreiber für den damaligen Ministerpräsidenten Carl Bildt und bekam einen Job in der schwedischen Regierungskanzlei - da war er erst 23 Jahre alt.
Nach dem Machtverlust der Bürgerlichen zog er sich für einige Jahre aus der Politik zurück. Borg war von 1998 bis 1999 Chefökonom für Schweden bei der ABN Amro Bankengruppe, anschliessend Chefanalyst der SEB Bank. In den Jahren 2001 bis 2002 wirkte er als ökonomischer Berater im Vorstand der Schwedischen Zentralbank. In den folgenden vier Jahren machte er Parteipolitik: Als Chefökonom und Bürochef avancierte er zum führenden Kopf der Mitte-rechts-Partei Moderaterna.
Führender Kopf der Regierung
Anders Borg gilt als Architekt der wirtschaftspolitischen Doktrin der amtierenden Regierung von Premier Fredrik Reinfeldt. Trotz Erfolgen bei Beschäftigung und Wachstum erklärte er das sozialdemokratische Modell als überholt, er forderte neue Akzente in der Arbeitsmarktpolitik. «Schweden setzt darauf, mehr Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, beispielsweise durch niedrigere Abgaben für Geringverdiener oder Jugendliche», sagt Borg. «Ebenso soll es den Unternehmen erleichtert werden, neue Mitarbeiter einzustellen. Auch die Selbstständigkeit will die schwedische Regierung deutlich vereinfachen. Es gilt das Prinzip: ‹Work first›.»
Wo Borg auftaucht, hinterlässt er einen positiven Eindruck. Sein früherer Vorgesetzter bei der SEB Bank bezeichnet ihn gemäss einem Medienbericht als «sehr intelligenten und brillanten Technokraten». «Er war wie ein Vulkan, er hatte immer neue Ideen.»
Und ein Journalist der Zeitung «Dagens Nyheter» sagte: «Er hat zu allem eine Meinung, er weiss alles. Oder zumindest spricht er so, dass die Leute das Gefühl haben, dass er alles weiss.» Und er beherrscht auch die Sprache des einfachen Mannes, wenn er zum Beispiel Bonus-Exzesse der Banken kritisiert, wie ein sozialdemokratischer Politiker bemerkt. Dies ändere aber nichts daran, dass er eine liberale Politik betreibe.
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