Amerikaner Emil FreyEr schwor der Schweiz ab und wurde trotzdem Bundesrat
Um ihre Wahlchancen für den Bundesrat zu verbessern, vertuschte Michèle Blöchliger ihre Doppelbürgerschaft. Doch der bisher einzige Bundesrat aus dem Baselbiet ist der Beweis dafür, dass man sogar als Bürger einer fremden Nation ins höchste Amt gewählt werden kann.

Michèle Blöchliger, SVP-Regierungsrätin im Kanton Nidwalden, hat sich für den frei werdenden Sitz von Ueli Maurer im Bundesrat beworben. Dumm nur, dass sie dabei zu verschleiern versuchte, dass sie neben der Schweizer Staatsbürgerschaft auch jene von Grossbritannien hat. Höchstwahrscheinlich um ihre Wahlchancen zu vergrössern, tat sie so, als sei sie nicht länger Britin.
Dabei hätte eine Doppelbürgerschaft formaljuristisch überhaupt kein Hindernis auf dem Weg in den Bundesrat dargestellt. Die Schweiz anerkennt Doppelbürgerschaften seit dem 1. Januar 1992 und akzeptiert sie auch in den höchsten politischen Ämtern.
Anders sieht die Sache aus, wenn man, um eine neue Staatszugehörigkeit zu erwerben, unter Eid auf die alte verzichtet hat. So, wie es der Baselbieter Emil Frey am 14. Juli 1865 tat. In seinem amerikanischen Bürgerbrief, ausgestellt in St. Louis, Missouri, lautet die entscheidende Passage auf Deutsch übersetzt: «Er verzichtet für immer auf seine Schweizer Bürgerschaft und schwört ihr ab.»

Nur etwa fünf Wochen später aber war der frischgebackene Amerikaner Emil Frey zurück in seiner (alten) Heimat. Im Baselbiet stieg er praktisch unmittelbar in die Lokalpolitik ein und schaffte es rasch bis in den Regierungsrat. Als Radikaler kämpfte er unter anderem für ein Fabrikgesetz und Jugendschutz.
Weil der Lohn spärlich war, wechselte Frey 1872 in den Journalismus. Er war Redaktor bei den «Basler Nachrichten», wandte sich aber nach nur ganz kurzem Unterbruch wieder der Politik zu und schaffte im selben Jahr die Wahl in den Nationalrat. Dort setzte er sich nun auf nationaler Ebene für Sozialreformen und einen starken Staat ein – vor allem wenn es um die Militärorganisation ging.
Denn Emil Frey brachte aus Übersee viel praktische Erfahrung mit. Er hatte aufseiten der Unionsarmee im amerikanischen Bürgerkrieg teilgenommen und war am 1. Juli 1863 am ersten Tag der Schlacht bei Gettysburg in Kriegsgefangenschaft geraten. Gut anderthalb Jahre wurde er weggesperrt. Die längste Zeit davon im berüchtigten Libby-Gefängnis von Richmond. In der Not assen er und seine beiden Zellengenossen auch Ratten.
Direkt zum Major der Schweizer Armee gemacht
Obwohl er nie die Rekrutenschule besucht hatte, beförderte man ihn deshalb zurück in der Schweiz sofort in den Rang eines Majors. Das entsprach dem Rang, den er in der US Army zuletzt innegehabt hatte. Als er 1890 in den Bundesrat gewählt wurde, war er Oberst der Schweizer Armee. Man vertraute ihm, dem Mann mit viel praktischer Erfahrung, das Militärdepartement an.
Gut sechs Jahre lang bekleidete Frey dieses Amt. Zuerst erfolgreich, später zunehmend enttäuscht und frustriert. Das Stimmvolk hatte 1895 die von ihm angestossene Militärreform deutlich abgelehnt (67,8 % Nein). Weitere Niederlagen folgten. Obwohl er im Dezember 1896 noch einmal als Bundesrat bestätigt wurde, demissionierte Frey im März des folgenden Jahres und war anschliessend Direktor der Internationalen Telegraphen Union mit Sitz in Bern.
Die Frage ist, ob es hierzulande überhaupt bekannt war, dass er im Juli 1865 zum Amerikaner geworden war. «Seine Doppelbürgerschaft war in der damaligen Zeit kein Problem, sie wurde vielmehr als Vorteil betrachtet», sagte Hans-Ulrich Jost, Historiker und emeritierter Professor der Universität Lausanne, 2017 gegenüber Swiss-Info. Das mag sein, aber dann wohl nur vor dem Hintergrund, dass sich niemand für die genaue Wortwahl des «Oath of Allegiance» interessierte. Lässt der doch keine Zweifel, dass die USA damals keine Doppelbürgerschaft erlaubten, während sie in der Schweiz toleriert wurde.
Erster Botschafter in den USA
Hat Emil Frey womöglich, reumütig, seine neu erworbene Staatsangehörigkeit abgelegt? Dafür gibt es keinen Beleg. Im Gegenteil. Als er als erster Botschafter der Schweiz in den USA vom damaligen Präsidenten Chester A. Arthur zu einem Dinner eingeladen wurde, sagte der zu Frey, er betrachte ihn «als den Repräsentanten beider Staaten».
Sechs Jahre lang – noch vor seiner Wahl in den Bundesrat – vertrat Emil Frey die Interessen der Schweiz in den USA, von 1882 bis 1888. Und verbrachte trotzdem seine Sommer immer in Arlesheim, seinem Geburtsort.
Eine höchst ungewöhnliche Vita, zu der auch gehört, dass seine Frau im Alter von nur 28 Jahren an Tuberkulose starb und er zum alleinerziehenden Vater von fünf Kindern wurde. Emil Frey starb an Heiligabend vor 100 Jahren 84-jährig in Arlesheim. Im Haus, in dem er geboren worden war. Auf seinem Grabstein steht nicht «Bundesrat Emil Frey», sondern «Oberst Emil Frey». Und, als kleiner Nachtrag, mit dem Garagisten gleichen Namens ist er nicht verwandt, der hat seine Wurzeln in Lörrach. Die der Familie Frey sind in Basel.
Markus Wüest, «Der Amerikaner im Bundesrat», Zytglogge-Verlag Basel 2022, 210 S. ca. 32 Fr.
Gregor Saladin: «Die sieben Leben des Emil Frey», Friedrich-Reinhardt-Verlag Basel 2022, 120 S., ca. 29 Fr. (erscheint am 2.11.) Vernissage der beiden Bücher ist am Mittwoch, 2. November, um 19.30 Uhr bei Bider & Tanner in Basel.
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