Zum Tod von Peter FacklamEr hat stets im Interesse der Sache entschieden
Als Regierungsrat in den Jahren 1980 bis 1992 war Peter Facklam «offen und frei von irgendwelchen ideologischen Zwängen» – eine Würdigung durch den damaligen Drogendelegierten.

Als ich im Sommer 1991 im Büro von Peter Facklam das drogenpolitische 4-Säulen-Modell und meine Vorstellungen zu Gassenzimmern und Heroinverschreibung präsentierte, sagte er: «Jo, das kennti funggzioniere.» Zuvor testete er subtil mein Fachwissen. Er sei in Pompei gewesen und habe da Mosaike mit berauschten Göttern gesehen. Was die denn für Substanzen genommen hätten? Oder auf einer Reise durch die Türkei habe er schöne Blumenfelder voller roter Blüten gesehen. Was könnten das für Pflanzen gewesen sein?
Zwei Wochen zuvor hatte ich dasselbe Modell in der Zürcher Drogenkommission vorgestellt. Ich wurde dabei fast mitsamt dem Stuhl aus der Sitzung geworfen. Dort herrschte noch kalter Krieg. «Sie sind doch derjenige, der die Schweiz mit Haschisch vollpflanzen will», rief der Kantonsarzt. Es war wie Tag und Nacht. Hier der kultivierte liberal-demokratische Justizminister, dort die gehässigen Kaderleute voller Vorurteile.
Bald darauf begann ich bei Regierungsrat Facklam mit der Arbeit als Drogendelegierter und wurde genau mit der Umsetzung dessen beauftragt, was ich ihm präsentiert hatte: Situationsanalysen, Anzahl und Standorte der Gassenzimmer definieren, Verhandlungen führen und Umsetzung koordinieren; Kooperation mit den anderen Departementen, Vereinen und NGO sichern sowie Anwohneranlässe organisieren.
Dabei habe ich Peter Facklam als äusserst interessiert, offen und frei von irgendwelchen ideologischen Zwängen erlebt. Er hörte genau zu, traute mir und der Meinung «seiner» Fachleute, meinem Kollegen Reto Zbinden und dem engagierten Leiter des Jugendamtes, Heinz Herrmann Baumgarten, und hat danach stets im Interesse der Sache entschieden – oft auch gegen seine eigene politische Positionierung.
Ich war damals ziemlich unbelastet von der lokalen Politik und verstand nicht, weshalb die politische Konkurrenz ihn teilweise mit ätzender Kritik überzog. Wir gestalteten eine Drogenpolitik, die progressiv war und für die ganze Schweiz Massstäbe setzte. Und seine vornehme Art alter Schule gab den innovativen Projekten auf der Gasse einen würdigen politischen Rahmen. Dass er manchmal wie Professor Bienlein aus dem «Tintin»-Comic wirkte und die Sekretärin rufen musste, um abends aus dem verschlossenen barocken Justizdepartement zu finden, fanden wir nie lächerlich. Es passte zum Magistrat, der sich fürs Wesentliche interessiert und einsetzt.
Diese noble Haltung hat ihn schliesslich die Wiederwahl gekostet. Die kleine Arbeitsgruppe Gassenzimmer-Platzierung hatte 1992 für einen der drei temporären Standorte den Platz neben dem Kunstmuseum empfohlen; Peter Facklam ordnete darauf die Erstellung an. Die Kunstwelt und die betuchte Nachbarschaft – nicht selten aus seiner Partei – hatten wenig Verständnis. Er zog sich nach dem ersten, erfolglosen Wahlgang zurück und machte in staatspolitischer Grösse Platz für den jüngeren Ueli Vischer.
Auch in den damaligen Wirren um die sogenannte Jugendbewegung war er stets magistral, nie anbiedernd, stets in vornehmer Art dem Gesamtwohl verpflichtet. Das machte ihn für die aktivistische Szene zum idealen Feindbild, de facto hat er aber immer auf seine fortschrittlichen Fachleute gehört und vorbildliche Projekte umsetzen lassen.
Gegenüber Untergebenen war er respektvoll, erwartete Loyalität und war auch loyal.
Auch im alltäglichen Umgang war er im positiven Sinn ein Mann alter Schule. Gegenüber den Untergebenen war er respektvoll, erwartete Loyalität und war umgekehrt auch loyal. Wenn Fehler passierten, gab es kein Theater im Machtgefälle, sondern ruhige, sachliche Analysen und konstruktive Aussprachen.
Der gegenseitige Respekt hat die Zeit der gemeinsamen Arbeit überdauert. Peter Facklam lud einige Jahre nach seinem Abschied aus der Politik sein ehemaliges Kader in eine Zunftstube ein und hielt im englischen Hofstil ein Treffen ab. Wir waren berührt und beeindruckt, es schien wie aus der Zeit gefallen. Später habe ich ihn mit seiner Frau mehrmals zufällig in Ausstellungen getroffen, zum Beispiel im Kunstmuseum in Bern. Es waren schöne Momente des gepflegten Austauschs.
Mit den damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizdepartements verkehre ich noch heute, in Gesprächen über die seinerzeitige Zusammenarbeit wird regelmässig Facklams korrekte Art und Zuverlässigkeit betont. Wir reden oft darüber, wie die magistrale Komponente in der heutigen Politik nützlich sein könnte. Er hatte keine PR-Abteilung, Pressesprecher oder Medienbeauftragten, alle Mitarbeitenden waren in ihrer Funktion ganz fürs Thema zuständig und vollständig respektiert. Er war ein Freund schlanker Strukturen; für allfällige Instruktionen reichte ihm Generalsekretär Lukas Huber.
Wir Ehemaligen werden beim nächsten Treffen auf ihn anstossen und ihn nochmals würdigen. Und darüber reden, wie sich Politik und Verwaltung wieder etwas mehr auf das Wesentliche konzentrieren könnten.
Thomas Kessler war von 1991 bis 2017 in Basel-Stadt nacheinander als Drogendelegierter, Integrationsbeauftragter und Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung tätig.
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