
Achtzehn Jahre ist es her, seit Martin Wikelski in Panama den Fleckenbrust-Waldwächter erforscht hat. Der heute 53-jährige Direktor des deutschen Max-Planck-Instituts für Ornithologie baute damals mit Kollegen mitten im Dschungel 40 Meter hohe Gerüste, um die Vögel von oben zu beobachten. Noch besser wäre es, die Tiere aus dem Weltraum sehen zu können, meinte einer aus dem Team. Es war ein Witz, doch die Idee liess Wikelski nicht mehr los.
Jetzt ist seine Vision Wirklichkeit: Das Projekt Icarus (International Cooperation for Animal Research Using Space), das Wikelski leitet, hat die Arbeit aufgenommen. Die Icarus-Antenne an der Aussenseite der Internationalen Raumstation (ISS) empfängt Signale von kleinen Sendern auf dem Rücken von Vögeln, Fischen und Säugetieren auf der ganzen Welt. Bald wird Wikelski live die Bewegungen von Flughunden im Kongo, von Enten in China und von Amseln in der Schweiz verfolgen.
Die aufwendige Technik hinter dem Projekt hat nur ein Ziel: das Verhalten der Tiere besser zu verstehen. «Mich hat immer fasziniert, dass Zugvögel in ihr Winterquartier aufbrechen, obwohl die Bedingungen dort, wo sie sich gerade aufhalten, noch gut sind», sagt Wikelski. Wie treffen Tiere solche lebenswichtigen Entscheidungen?
Was ihm in der schwierigen Anfangszeit half, waren Kollegen, die an das Projekt glaubten.
Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass es ein System gibt, über das Tiere ständig Informationen untereinander und mit ihrer Umgebung austauschen. Und dass sich dieses System mithilfe von Icarus anzapfen und nutzen lässt. Anfangs war es schwer, Unterstützer für dieses Internet der Tiere zu finden. Die Nasa wollte nicht einsteigen, deshalb verliess Wikelski die Princeton University, wo er Professor war, und kehrte nach Europa zurück. «Es war nicht leicht, einen Lebenszeitjob an der besten Universität der Welt aufzugeben», sagt er.
Doch Icarus war ihm wichtiger, und in Deutschland wurde das Projekt unterstützt. 2007 kam Wikelski als Direktor der Abteilung für Tierwanderung ans Max-Planck-Institut in Radolfzell am Bodensee. «Es war ein Kulturschock», sagt er. Und mit Icarus lief es anfangs nicht gut. Zweimal wurde Wikelskis Forschung von Gutachtern evaluiert, zweimal fiel das Ergebnis katastrophal aus. «Sofort aufhören mit dem Unfug», lautete das Urteil sinngemäss. Wikelski machte weiter. Bei der dritten Evaluation waren plötzlich alle begeistert. «Wenn es dann mal funktioniert, will jeder dabei sein», sagt er.
Was ihm in der schwierigen Anfangszeit half, waren Kollegen, die an das Projekt glaubten, und die Überzeugung, dass das Potenzial, das in der natürlichen Intelligenz der Tiere schlummert, mindestens genauso gross ist wie das der viel beachteten künstlichen Intelligenz von Maschinen. Das wurde Wikelski schon als Doktorand klar, als er auf Galapagos die Evolution der Körpergrösse bei Meerechsen erforschte. Er sass in seinem Zelt am Computer, als unter den Seelöwen am Strand Streit ausbrach. Ein junges Männchen hatte ein älteres Tier herausgefordert und wurde von dem wütenden Alten verfolgt. «Der junge Bulle lief um mein Zelt herum. Dann kam er herein, legte sich unter den Tisch und schaute mich an.» Der Seelöwe wusste, dass das Zelt der einzige Ort auf der ganzen Insel war, an den ihn sein Feind nicht verfolgen würde.
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Er hat das Internet der Tiere erfunden
Martin Wikelski, Professor für Ornithologie, kann Tierwanderungen via Peilsender und die Weltraumstation ISS verfolgen.