«Endlich gehört er zu den ganz Grossen»
Die farbstärkste der vier Versionen von Munchs «Der Schrei» ist gestern für fast 120 Millionen Dollar versteigert worden. In seiner Heimat Norwegen freut man sich – und schmiedet Pläne.
Ungeteilte Freude hat die Rekord-Auktion des Bildes «Der Schrei» von Edvard Munch bei den Nachfahren des Malers ausgelöst. «Jetzt ist er endlich zu einem der ganz grossen Künstler-Namen in der Welt geworden», sagte Elisabeth Munch-Ellingsen. «Jetzt hoffe ich, das wir auch in Norwegen das Munch-Erbe besser verwalten», erklärte Munch-Ellingsen als Sprecherin des Erbengemeinschaft im Radiosender NRK. Auch Medien verwiesen bei ihren Kommentaren auf den anhaltenden Streit um den Neubau eines Munch-Museums in Oslo.
Das bisherige Museum, aus dem 2004 eine andere Version des «Schrei» zeitweilig geraubt wurde, gilt als veraltet. Die schon gefällte Entscheidung für einen Neubau wurde vom Osloer Stadtrat im vergangenen Jahr wieder rückgängig gemacht. Der Chef des Munch-Museums, Stein Olav Henrichsen, meinte in der Zeitung «Aftenposten» zur New Yorker Auktion des «Schrei» aus norwegischem Privatbesitz: «Es ist irgendwie schade, dass Munch diese enorme Anerkennung nicht selbst miterlebt hat.»
Neues Museum geplant
Jetzt müsse man in Norwegen dafür sorgen, dass Munchs künstlerisches Schaffen für ein breites Publikum zugänglich gemacht werde. Der bisherige Eigner der verkauften «Schrei»-Version, Petter Olsen, will mit einem Teil des Erlöses von fast 120 Millionen Dollar ein eigenes Munch-Museum in Hvidsten im Bezirk Akershus eröffnen.
«Der Schrei» aus dem Jahr 1895 kam gestern beim New Yorker Auktionshaus Sothebys unter den Hammer. «Der Schrei» gilt als Symbol für die Ängste und Verunsicherung des modernen Menschen.
Eine von vier Versionen
Das versteigerte Bild eines stilisierten Mannes, der unter einem blutroten Himmel mit verzerrtem Gesicht einen Schrei ausstösst, ist eine von vier Versionen des expressionistischen Gemäldes und zugleich das einzige, das sich noch in Privatbesitz befand. Die anderen Versionen sind in norwegischem Staatsbesitz; eine zeigt das Nationalmuseum, die beiden anderen das Munch-Museum in Oslo. Zwei Fassungen von «Der Schrei» wurden in der Vergangenheit aus Museen gestohlen, später jedoch wieder gefunden.
Bei der Frühjahrsauktion des Hauses Sothebys trieben sieben Bieter innerhalb von nur zwölf Minuten den Preis in die Höhe. Zuletzt kämpften noch zwei Telefonbieter um das Bild. Über die Identität des Käufers war zunächst nichts bekannt. Der Verkauf löste im Auktionshaus Applaus aus. Mit 119,9 Millionen Dollar übertraf der Verkaufspreis die Erwartungen deutlich.
Dem Rest der Welt eine Chance bieten
Das versteigerte Exemplar gehörte dem norwegischen Industriellen Peter Olsen, dessen Vater ein Nachbar und Freund des Künstlers war. Mit den Einnahmen sollen ein neues Museum, ein Kunstzentrum und ein Hotel in Hvitsten in Norwegen gebaut werden. Dort lebten Munch und Olsens Vater. Olsen erklärte, er habe sich zum Verkauf entschlossen, da der Moment gekommen sei, «dem Rest der Welt die Chance zu bieten, dieses bemerkenswerte Werk zu besitzen und zu würdigen».
Für ihn zeige das Bild «den erschreckenden Moment, da der Mensch seine eigene Wirkung auf die Natur erkennt und die irreversiblen Veränderungen, die er ausgelöst hat, die den Planeten zunehmend unbewohnbar machen», sagte Olsen, der die Vorhersehungskraft Munchs würdigte. Munch hatte in seinem Tagebuch im Januar 1892 beschrieben, wie ihn bei einem Spaziergang am Fjord beim Anblick des Sonnenuntergangs furchtbare Angst ergriffen hatte. Gemäss Umfragen ist «Der Schrei» das zweitbekannteste Gemälde der Kunstgeschichte nach der «Mona Lisa» von Leonardo da Vinci.
Einzige Version mit selbst gestaltetem Rahmen
Die New Yorker Version wird von Sothebys als die farbstärkste und eindrücklichste beschrieben. Es ist auch die einzige Version, deren Rahmen vom Künstler selbst gestaltet wurde. Auf dem Bildrahmen stand in roter Schrift das Gedicht, welches das berühmte Bild inspirierte. Munch (1863 bis 1944) gilt als einer der herausragenden Vertreter der expressionistischen Kunst.
Neben Picassos «Nackte, grüne Blätter und Büste» erzielten bislang nur zwei weitere Werke mehr als 100 Millionen Dollar: Picassos «Junge mit Pfeife» kam 2004 für 104,1 Millionen Dollar unter den Hammer, Alberto Giacomettis Skulptur «Walking Man I» 2010 für 104,3 Millionen Dollar.
Nach der Auktion zeigte sich Olsen denn auch zufrieden mit dem Ergebnis: Er hoffe, dass das öffentliche Interesse an Munchs Werk mmit der medienwirksamen Versteigerung gewachsen sein.
Es kommt noch teurer
«Der Schrei» hat zwar einen Auktionsrekord gesetzt, ist aber bei weitem nicht das teuerste Gemälde. Bei Privatverkäufen haben Bilder schon für viel höhere Summen den Besitzer gewechselt: Jackson Pollocks «No. 5» (1948) etwa, wurde für 140 Millionen Dollar verkauft oder Paul Cézannes «Die Kartenspieler» soll für 250 Millionen veräussert worden sein – dieser Betrag wurde jedoch nie bestätigt.
dapd/sda/afp/rbi/omue
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