«High Low» auf SpotifyEmrata reizt mit ihrem Podcast schon vor dem Start
Nun steigt auch Emily Ratajkowski in die Promi-Podcast-Szene ein und will über plastische Chirurgie genauso reden wie über toxische Männlichkeit. Es steht allerdings Ideenklau im Raum.

Jedes Mal wenn Emily Ratajkowski etwas postet, flippen Social Media mal kurz aus. Die einen vor Ärger, die anderen, weil sie die 31-jährige Amerikanerin so sehr feiern – aber beide Seiten aus demselben Grund: weil Emrata, wie sie sich nennt, mit ihren körperlichen Reizen ein Vermögen macht und sich gleichzeitig feministisch äussert.
Anlass für die jüngste Aufregung: Emrata bekommt einen eigenen Podcast, in dem sie sagen kann, was sie will. Die erste Folge von «High Low with Emrata» wird am 1. November ausgestrahlt und daraufhin zweimal wöchentlich zu hören sein. Es soll ein Mix aus Gastinterviews und Monologen sein, analog zu den Essays aus ihrem Bestseller «My Body» über weibliche Selbstbestimmung, der vor einem Jahr erschienen ist.
Ist es feministisch, seinen Körper einzusetzen in der Meinung, das sei selbstbestimmt?
Im Buch setzte sie sich mit der Frage auseinander, ob es tatsächlich feministisch ist, seinen nahezu nackten Körper einzusetzen in der Meinung, das sei selbstbestimmt. Oder ob es nicht vielmehr naiv ist, zu glauben, in einer von Männern gesteuerten Welt gebe es überhaupt so etwas wie eine weibliche Unabhängigkeit. Sie selber zeigte sich ambivalent.
«My Body» machte sie aber auf einen Schlag zu einer Aktivistin, die etwas zu sagen hat. Sie nutzt ihre politische Stimme auch bei ihren 29,5 Millionen Followern auf Instagram. Deswegen ihr Kapital, das Image der leicht bekleideten Lolita mit Schmollmund, aufzugeben, kommt ihr jedoch bis heute nicht in den Sinn. Den Podcast sieht Emily Ratajkowski als logische Folge des Bestsellers. Und auch er beinhaltet mehrere Reizfaktoren.
Hat Emrata ein erfolgreiches Format geklaut?
«High Low with Emrata» ist zwar neu, mutet aber an wie die Kopie des britischen Popkultur-Podcasts «The High Low». Dieser zählte vier Jahre und 150 Folgen lang zu den beliebtesten Podcasts der Millennials in Grossbritannien und weit darüber hinaus. Auch, weil die beiden Hosts, die Journalistinnen und Autorinnen Pandora Sykes und Dolly Alderton, gewichtige politische Themen genauso erfrischend zu behandeln wussten wie die trivialen Probleme des Alltags.

Ende 2020 hörten die beiden auf dem Höhepunkt auf, und der britische «Telegraph» hielt fest, es werde für viele nun deutlich schwerer sein, durch die (pandemiebedingt) leeren Strassen zu gehen, ohne die Stimmen von Alderton und Sykes wie diejenigen zweier alter Freundinnen ganz dicht im Ohr zu haben (zur Würdigung).
Nun sieht es also so aus, als hätte sich die Amerikanerin Emrata einfach den Titel dieses britischen Erfolgspodcasts gestohlen und das Konzept gleich noch dazu. Das kommt in den Kommentarspalten überhaupt nicht gut an.
Ausgerechnet sie, die sich als Feministin bezeichne, beklaue zwei andere Frauen. Das sei peinlich und respektlos, steht da unter anderem. Oder das sei ein Scheissbetrug, und sie solle sofort den Namen ändern.

Von Zufall kann keine Rede sein: Ratajkowski war vergangenes Jahr mit ihrem Buch «My Body» zu Gast in der Show der früheren «The High Low»-Moderatorin Pandora Sykes. Sie und Dolly Alderton scheinen jedoch entspannt damit umzugehen. Alderton postete in einer Instagram-Story ein Foto und bemerkte selbstironisch, jetzt gebe es noch einen Grund mehr, verwechselt zu werden. Emrata selber hat sich noch nicht dazu geäussert.
Für Emrata ist kein Thema zu anspruchslos
Im «High Low»-Podcast soll es, passend zum Titel, um alles gehen von Philosophie, Politik und Feminismus bis hin zu Sex, Popkultur und Tiktok. In einem Interview mit «The Cut» erzählte Emrata, dass auch Beziehungsratschläge zu hören sein werden («Ich bin eine alleinerziehende Mutter», sagte sie, ein Wink an ihren Ex, der sie mehrfach betrogen haben soll).
«Ich finde es intellektuell interessant, geistig anspruchslose Themen auf raffinierte Weise anzugehen.»
Auch persönliche Anekdoten seien zu erwarten und «mindestens eine Episode, die sich mit Feminismus und plastischer Chirurgie befasst». Kein Thema ist Ratajkowski zu banal. «Ich finde es intellektuell interessant, geistig anspruchslose Themen auf raffinierte Weise anzugehen», sagte sie «The Cut». Es gehe im Podcast nicht nur darum, wer sie sei, sondern auch darum, wie ihr Gehirn funktioniere. Emrata will also auch hier zwei Gegensätze, also das Oberflächliche und das Tiefgründige, ungeniert und selbstbewusst vermischen – passend zu ihrer widersprüchlichen Sexobjekt-Feministinnen-Kombi, die viele irritiert.
Emilys «Bitch»-Stimmung
Emrata ist gerade in Fahrt. Sie sei in einer «Bitch-Phase», bemerkte sie kürzlich in einem Video auf Tiktok, wo sie sich regelmässig über toxische Männlichkeit und patriarchale Verhaltensweisen äussert. Anlass für ihren Unmut ist die neue Marilyn-Monroe-Biografie «Blonde». Darin werde einmal mehr der Schmerz und die Verletzlichkeit von Frauen zum Fetisch gemacht, wetterte Ratajkowski.
«Ich denke, wir müssen alle ein bisschen wütender sein.»
Die Gesellschaft sei geradezu fasziniert vom weiblichen Leiden. «Schauen Sie sich Amy Winehouse an, schauen Sie sich Britney Spears an, schauen Sie sich an, wie wir von Lady Dianas Tod besessen sind, wie wir von toten Mädchen und Serienmördern besessen sind.» Aber sie habe einen Vorschlag, um die sexistische Sichtweise zu durchbrechen. «Ich denke, wir müssen alle ein bisschen wütender sein.» Denn wenn man etwas bei Frauen nicht fetischisieren könne, dann sei es die Wut.
Kurz: Es ist zu erwarten, dass sich Emrata in ihrem Podcast nicht zurückhalten, sondern vielmehr draufhauen will. Sie möchte aber nicht nur austeilen, sondern sich in einen Austausch begeben. So soll es für zahlende Abonnentinnen und Abonnenten jeweils eine Bonusfolge geben, in der sie sich mit Reaktionen auf den Podcast auseinandersetzen möchte. Also auch den ablehnenden, die immer laut schreien, wenn es um Emrata geht.
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