Volvo-Designchef Robin Page«Elektroautos sind Ikonen der Zukunft»
Mit dem C40 Recharge nimmt Volvos Zukunft als Elektroautomarke weiter Form an. Für Designchef Robin Page hat er gerade auch für Jugendliche eine wichtige Imagefunktion.

Volvo wird zur Elektroautomarke. Bis 2030 will das zum chinesischen Geely-Konzern gehörende Unternehmen komplett ohne Verbrennungsmotoren auskommen, womit auch die Plug-in-Hybride aus dem Programm fallen. Den Anfang machte der Kompakt-SUV XC40 mit einer rein elektrischen Antriebsversion; mit dem C40 Recharge steht nun das erste Modell in den Startlöchern, das alternativlos als Stromer angeboten wird – und überdies eine neue Karosserieform zeigt. Wir haben mit Designchef Robin Page darüber gesprochen, was die Umstellung auf Elektroautos in gestalterischer Hinsicht bedeutet, und wollten ausserdem wissen, welche Auswirkungen die Pandemie auf seine Arbeit hatte.

Robin Page, wie wichtig ist es, dass ein Elektroauto als solches erkannt wird?
Sehr wichtig, wie wir bei Volvo finden. Deshalb haben wir dem C40 Recharge eine eigenständige Front verliehen – mit einer glatten Oberfläche, wo sonst der Grill ist, und Scheinwerfern mit Pixel-Technik. Am Übergang zwischen der abfallenden Dachlinie und dem Heck fällt auf, dass das vertikale Element der ikonischen Rückleuchten neuerdings in Segmente unterteilt ist. Typisch Elektroauto ist auch das aerodynamische Raddesign.
Der C40 Recharge ist das allererste ausschliesslich als Stromer erhältliche Volvo-Modell. Hätten Sie mit dem Design nicht noch viel weiter gehen können?
Der C40 ist der dynamische Bruder des Kompakt-SUV XC40, der sowohl für elektrische als auch konventionelle Antriebe konzipiert wurde, und stellt einen wichtigen Meilenstein auf unserer Reise in eine vollelektrische Zukunft dar. Die nächste Generation von Elektroautos wird auf einer neuen Plattform basieren, die noch mehr gestalterische Freiheiten erlaubt.
Freiheiten oder Restriktionen?
Wir sprechen eher von «opportunities». Es ist ja durchaus eine Chance, mit dem veränderten Frontdesign eine neue Identität entwickeln zu können. Auch die Innovationen in der Aerodynamik sind für uns Designer spannend – etwa, was die Dachlinie angeht. Die kommende Plattform wird sogar die Proportionen und das Platzangebot verändern, weil die Räder durch die kompaktere Technik weiter nach aussen rücken. Und schliesslich sehen wir bei Volvo künftig von Leder ab, was uns mit neuen, nachhaltigen Materialien experimentieren lässt. Beispielsweise besteht der Bodenteppich des C40 zu 100 Prozent aus recycelten PET-Flaschen, und bei den Sitzbezügen kommen natürliche und wiederverwertete Stoffe zum Einsatz. Nicht zuletzt sparen wir durch den Verzicht auf Leder Gewicht, und das wirkt sich positiv auf die Effizienz des Fahrzeugs aus.
Bis 2030 soll Volvo eine reine Elektroautomarke werden. Kommen Sie sich da nicht mit der Tochtermarke Polestar ins Gehege, die ebenfalls auf Elektroautos setzt?
Polestar ist eine stark technologiegetriebene Marke mit Fokus auf Performance. Bei Volvo steht der Mensch mit seinem Lifestyle im Zentrum. Beide Marken setzen auf Elektroantriebe, beide setzen auf innovative Technologien, doch bei Volvo soll man sie nicht bewusst spüren. Diese arbeiten im Hintergrund, lassen einen etwa Musik hören und sicher ans Ziel fahren, während man die Atmosphäre eines skandinavischen Wohnzimmers geniesst.
Wie viel England steckt in diesem skandinavischen Wohnzimmer? Sie sind ja Brite, waren bis vor acht Jahren für Marken wie Rolls-Royce und Bentley tätig, gestalteten einst sogar eine Staatslimousine für die Queen.
Der britischen Handwerkskunst liegt eine ähnliche Philosophie zugrunde wie dem skandinavischen Design: Es geht darum, die Materialien richtig einzusetzen, sie möglichst für sich sprechen zu lassen und wunderschöne Details hinzuzufügen, die eine Geschichte erzählen. Das war schon früher mein Ansatz und beeinflusst mich noch heute, wo ich für eine schwedische Marke arbeite, die ja ebenfalls im Premiumsegment ist.
Um auf etwas Aktuelles sprechen zu kommen, das ebenfalls Einfluss auf Ihre Arbeit haben dürfte: die Pandemie. Wie haben Sie die vergangenen eineinhalb Jahre erlebt?
Die Pandemie hat weder unsere Unternehmensausrichtung verändert noch uns ausgebremst, im Gegenteil. Zum einen haben wir jetzt einen routinierteren Umgang mit digitalen Tools – nicht nur für die Kommunikation zwischen Leuten, die im Studio arbeiten, und solchen im Homeoffice, sondern auch mit jenen in den Satellitenstudios in Kalifornien und China. Zum anderen hatten wir schon vor Jahren die Vision, Volvo zu einer Elektroautomarke zu machen und die Verkäufe ins Netz zu verlagern. In der Krise ist sowohl das Umweltbewusstsein der Menschen gestiegen als auch ihre Bereitschaft, online Autos zu kaufen. Insofern liegen wir goldrichtig und erleben die Pandemie sogar als Beschleuniger.
Sind Sie selbst auch schon elektrisch unterwegs?
Noch fahre ich einen Volvo XC60 mit Plug-in-Hybridantrieb, aber ich hoffe, bald auf einen C40 Recharge umsteigen zu können.
Und welches Auto steht noch in Ihrer Garage?
Ein Jaguar E-Type. Aber lassen Sie mich das erklären: Ich wuchs in der Nähe der Fabrik auf, wo die Autos gefertigt wurden, sah sie fast täglich auf der Strasse. Ich war davon so fasziniert, dass ich schon als 12-Jähriger beschloss, Autodesigner zu werden.
Können Elektroautos wie der C40 Recharge Jugendliche ebenso begeistern?
Absolut. Ich sehe das an meiner Tochter, die neuerdings einen Führerschein besitzt und immer sehr begeistert ist, wenn ich ein Elektroauto mit nach Hause nehme. Für sie und ihre Freunde machen Elektroautos einfach Sinn, sie entsprechen ihrem Ethikverständnis. Die meisten von ihnen ernähren sich vegan, beschäftigen sich mit Umweltthemen und sind auch völlig davon angetan, dass ein Elektroauto ähnlich beschleunigt wie ein Supersportwagen, aber zum Bruchteil des Preises. So wie der E-Type oder der Volvo P1800, dessen ikonisches Design wir beim C40 Recharge bewusst zitieren, für meine Generation zu Ikonen wurden, könnten moderne Elektroautos für die heutigen Jugendlichen zu Ikonen werden. Im Sinne von: Das war der Wendepunkt, so hat alles angefangen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.