«Einzelne kamen mit Koffer und fragten nach dem Geld»
Das Walliser Dorf Albinen hat sich für eine Prämie für Neuzuzüger ausgesprochen. Das Geld lockt Menschen aus aller Welt an.
Albinen steht in der Weltöffentlichkeit. Die Gemeinde im Oberwallis will um jeden Preis Neuzuzüger anlocken und bietet diesen dazu eine fünfstellige Prämie an. Das hat die Gemeindeversammlung am Donnerstagabend beschlossen. Mehr als die Hälfte der knapp 200 Stimmberechtigten war anwesend. 71 sagten Ja, 29 Nein zum neuen Reglement «Wohnbau- und Familienförderung».
Dieses will Paaren 50'000 Franken schenken, wenn sie nach Albinen ziehen und mindestens 200'000 Franken in ein Haus investieren. Pro Kind gibt es zusätzlich 10'000 Franken, auch für Nachwuchs, der in den nächsten zehn Jahren geboren wird. So lange müssen die Neuzuzüger denn auch mindestens in der 250-Seelen-Gemeinde bleiben – sonst müssen sie die Prämie zurückzahlen. Als Kandidaten kommen nur Schweizer oder Ausländer mit C-Ausweis infrage. Dafür müssen letztere schon mindestens fünf bis zehn Jahre in der Schweiz leben.
Trotzdem lockt das nun beschlossene Förderprogramm Menschen aus aller Welt ins Oberwallis. Diverse Medien berichten schon seit Tagen zum Teil irreführend über die Aktion in Albinen, vor allem im Ausland. «Dieses Schweizer Dorf zahlt Ihnen 70'000 Franken, wenn Sie dorthin ziehen», heisst der Titel beispielsweise in einer englischsprachigen Zeitung.
Der Betrag von 70'000 Franken würde für eine Familie mit zwei Kindern gelten – wenn sie die Bedingungen erfüllt. Diese werden in den ausländischen Medien teilweise nur beiläufig erwähnt. In der Folge wurde das Bergdorf mit Anfragen aus aller Welt überrannt, Leute aus Brasilien, Kamerun oder Belgien wollten nach Albinen ziehen. Einzelne standen mit einem Koffer bereits vor dem Gemeindehaus und fragten nach dem Geld, erzählte Gemeindepräsident Beat Jost dem Schweizer Fernsehen. Er machte sich Sorgen, dass dieser Rummel das ganze Projekt gefährden könnte.
Nach Medienrummel abgetaucht
Am Tag nachdem das neue Reglement befürwortet wurde, ist Jost auf Tauchstation gegangen. Der ehemalige Walliser Grossrat, Gewerkschaftssekretär und langjährige Journalist ist telefonisch nicht erreichbar, sein Handy abgestellt, die Combox voll. Die Gemeindeverwaltung ist geschlossen – wie immer am Freitag. Der Medienrummel am Donnerstagabend war immens, kurzfristig gab es Verwirrung, ob die Journalisten überhaupt zur Versammlung zugelassen würden.
Anfang letzter Woche befürchtete Jost, dass die Einwohner nach der umstrittenen Berichterstattung gegen das Förderprogramm stimmen könnten. Oder, dass viele Stimmberechtigte gar nicht erst an die Versammlung kommen könnten. Sie kamen aber trotzdem, darunter wohl auch viele jener 94 Bewohner, welche die Abstimmung mit ihrer Unterschrift überhaupt erst ermöglicht haben. Und natürlich jene Jungen, welche die Initiative im August gestartet hatten. Jost zeigte sich nach der Versammlung erfreut darüber, dass die teilweise falschen Medienberichte keine Auswirkung hatten.
Kaum noch schulpflichtige Kinder
Dass die Gemeinde bereit ist, neue Nachbarn mit mehreren Zehntausend Franken zu begrüssen, zeigt, wie prekär die Lage im Oberwalliser Dorf ist. Im nächsten Schuljahr wird die Gemeinde nur gerade ein Kind im Kindergarten und eines in der Primarschule haben. Die beiden müssen ins Nachbardorf, genauso wie die Handvoll Jugendlicher, welche in Leuk in die Oberstufe gehen. Nur wegen dieser Schulkinder fahre überhaupt noch ein Bus nach Albinen, erklärte Jost an der Gemeindeversammlung, aber eben, die Kinder, die gehen dem Dorf rapide aus. In den vergangenen 17 Jahren wurde gemäss Jost genau ein neues Haus gebaut, die Hälfte der Bewohner ist mittlerweile im Pensionsalter.
Albinen musste sich deshalb etwas einfallen lassen, damit auch junge Paare mit Kindern angelockt werden können. Denn die Gemeinde liegt zwar direkt unterhalb eines Skigebiets, neben dem Kurort Leukerbad und oberhalb von Leuk, wo es Einkaufsmöglichkeiten und einen Bahnhof hat. Im Dorf selber gibt es verschiedene Restaurants, darunter auch eines, das in einer alten Walliser Stube vegane und exotische Kost anbietet.
Nur reicht die schöne Bergidylle eben nicht, um auch für Familien attraktiv zu sein. Gemeindepräsident Jost träumt zwar davon, einst wieder eine eigene Schule im Dorf zu haben, so bald dürfte das aber nicht der Fall sein. Das Ziel sei nämlich, in den nächsten fünf Jahren zehn Familien durch die Geldprämie nach Albinen zu locken. Und zwar junge Familien, unter 45 Jahre alt müssen die Kandidaten sein, um die Beiträge zu erhalten.
Familien sollen sich in der Gemeinde einbringen
Die Neuzuzüger zahlen dann Steuern und Gebühren, kurbeln mit dem Häuserbau das lokale Gewerbe an und gehen im Dorfladen einkaufen. Letzterer wurde gestern per Versammlungsbeschluss von der Gemeinde gekauft, um den Erhalt zu sichern. Das Bergdorf hofft, dass sich die Investitionen auch auszahlen. Im besten Fall engagieren sich die jungen Familien in Vereinen und der Politik, denn auch dafür gibt es in der Gemeinde mit knapp 200 Stimmberechtigten kaum Kandidaten. Vier der fünf aktuellen Gemeinderäte haben ihr Amt erst dieses Jahr neu angetreten.
Wohnfläche hat das Dorf noch genug, die Gemeinde will für den Hausbau auch Unterstützung anbieten, damit wieder mehr Kinder durch die Häuserschluchten des geschützten Dorfkerns rennen. Nach der gewonnenen Abstimmung wird nun der Papierkrieg für potenzielle Neuzuzüger vorbereitet, dabei wird der Fokus primär mal auf dem Aussieben der Kandidaten liegen, denn bisher erfüllte nur einer von 100 Interessenten die Bedingungen, wie Jost sagte.
Nun will die Gemeinde jedes Jahr 100'000 Franken in einen Fonds anlegen, bis dieser mit einer halben Million gefüllt ist. Das wäre genug Kapital für mindestens sieben Familien – und somit für neues Leben im ansonsten bald kinderlosen Dorf.
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