PR-Berater beim NachrichtendienstStreng geheimer Einsatz des «Kampf-Leserbriefschreibers» war «rechtlich heikel»
Eine Untersuchung nennt das Engagement eines umtriebigen PR-Mannes durch den Schweizer Geheimdienst «politisch inopportun». Sein Mandat verstiess gegen interne Regeln.

Zwei Jahre lang bekam Roger E. Schärer, seit Jahrzehnten einer der emsigsten Leserbriefschreiber des Landes, vom schweizerischen Geheimdienst monatlich 5000 Franken überwiesen. Doch beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wusste nur ein kleiner Kreis um den inzwischen zurückgetretenen Direktor Jean-Philippe Gaudin vom Engagement des 75-Jährigen als Berater.
Anfang Jahr machte diese Zeitung den Geheimvertrag sowie Details zum verdeckten staatlichen Lobbying des Zürcher Milizoffiziers ausser Dienst publik. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), in dem der NDB angesiedelt ist, betraute eine Berner Anwaltskanzlei mit einer Administrativuntersuchung.
Widerstand bis zuletzt
Seit Monaten schon liegen die Resultate vor, doch die Betroffenen wehren sich: Während Schärer, der vom bekannten Anwalt Valentin Landmann vertreten wird, einzelne Präzisierungen wichtig waren, wollte Gaudin mithilfe einer grossen Westschweizer Kanzlei die Publikation des Berichts verhindern – und kam damit durch.
Das VBS beschränkt sich jetzt darauf, die Erkenntnisse in einer Medienmitteilung zusammenzufassen. Darin werden keine Namen genannt, und es wird betont, dass gemäss der Untersuchung «kein strafrechtlich relevanter Tatbestand» vorliegt. Allerdings seien interne Weisungen über die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen missachtet worden. Das VBS taxiert das geheime Engagement als «politisch inopportun und rechtlich heikel».
Keine Leserbriefe im NDB-Auftrag
«Die grosse Untersuchung hat ein kleines Resultat gebracht», kommentiert Schärers Rechtsvertreter Landmann, «und an meinem Mandanten bleibt nichts hängen.» Gaudin wie Schärer hatten in früheren Stellungnahmen jegliches Fehlverhalten bestritten. «Mir ging es darum, als Patriot etwas für die Schweiz zu leisten», rechtfertigte sich Schärer. Und er zeigte keine falsche Bescheidenheit, indem er schrieb: «Jean-Philippe Gaudin hat einen der national und international am besten in Wirtschaft, Politik und Armee vernetzten Schweizer für wenig Honorar als Berater gewinnen können.»
Schärer legte auch Wert darauf, dass er keinen einzigen seiner Tausenden von Leserbriefen im Auftrag des Geheimdiensts verfasst hatte. Diese Feststellung ist ihm, der sich selbst früher als «Kampfleserbriefschreiber» bezeichnete, gemäss Landmann ein besonderes Anliegen.
Plötzlich ging er auf Amherd los
Während seiner zwei Jahre im NDB-Sold stellte Schärer Direktor Gaudin in Zuschriften an Zeitungen als «führungserfahrenen Chef» mit «weit besseren Qualifikationen als seine Vorgänger» dar. Bei diesen Vorgängern wiederum thematisierte er immer wieder «Führungsfehler» und «Eitelkeiten».
Solange er auf der Lohnliste des Geheimdiensts stand, war der alte Radfahrer-Kommandant des Lobes voll für VBS-Vorsteherin Viola Amherd. Doch bald waren die Tage seines Vertrauten Gaudin gezählt, der nie einen guten Draht zu der ihm vorgesetzten Bundesrätin gefunden hatte. Auch Schärers geheimer Vertrag, der ihm 60’000 Franken jährlich garantierte, wurde aufgelöst. Und der «Kampfleserbriefschreiber» begann, gegen Amherd zu schiessen.
Plötzlich kritisierte er die Frau, die er zuvor in einem Dutzend Leserbriefen als «führungsstark» beschrieben hatte. «Es erstaunt nicht», schrieb er beispielsweise, «dass unter der führungsschwachen Bundesrätin Amherd immer neue Leichen im Keller auftauchen.»
Auf Spesen Journalist getroffen
Nicht thematisiert wird in der Medienmitteilung des VBS, was genau Schärer für den NDB geleistet hat und wie beispielsweise sein Beeinflussungsversuch der Öffentlichkeit in der Cryptoaffäre zu werten ist. Als die vom Schweizer Geheimdienst unterstützte US-Unterwanderung der Zuger Chiffrierfirma Crypto AG aufflog, nahm Schärer Gaudin in Leserbriefen in Schutz. Weiter traf er mindestens einen der Journalisten, die in der Sache recherchierten. Dafür stellte er dem Geheimdienst Spesen in Rechnung. Insgesamt bezahlte der NDB Schärer gemäss Medienmitteilung 6875 Franken an Spesen.
Das VBS schreibt, die Administrativuntersuchung habe deutlich gemacht, «dass eine vermehrte Sensibilisierung der internen Beschaffungsprozesse notwendig ist». Für externe Dienstleistungen an NDB-Topkader soll eine Genehmigungsinstanz eingeführt werden.
Roger E. Schärer bleibt Roger E. Schärer. Er schickt weiterhin in hoher Kadenz E-Mails mit Einschätzungen zu aktuellen Fragen und mit Reminiszenzen aus seiner Vergangenheit als PR-Berater an einen breiten Empfängerkreis in Verwaltung, Politik und Medien – allerdings definitiv nicht mehr in staatlich finanzierter Geheimmission.
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