«Eine Verkennung der Realität»
Sämtliche Grossparteien verloren bei den Eidgenössischen Wahlen Anteile. In ihren Wahlanalysen zeigen sie jedoch wenig Selbstkritik. Eine Übersicht.

Sie haben an Wähleranteilen verloren und sehen sich trotzdem als Gewinnerinnen der Wahlen: Die Parteien streichen in den Wahlanalysen auf ihren Webseiten das Positive hervor. Einen Gefallen tun sie sich damit nicht.
Bei der SP dominieren die Sitzgewinne, bei der SVP die Wählerstärke und bei der CVP die gestärkte Mitte. «Eine Verkennung der Realität», sagt Politologe Georg Lutz angesichts der eingebrochenen Wähleranteile.
«Unklar ist, ob das heisst, dass der notwendige Diskussionsprozess auch intern nicht geführt wird», oder ob die Parteien die Probleme nicht öffentlich diskutieren wollten.
SP: Grosse Gewinne im Nationalrat
«Die SP hat als einzige der fünf etablierten Parteien in Sitzen gewonnen. Und zwar deutlich», schreibt denn auch Generalsekretär Thomas Christen in einer ersten Bilanz.
Tatsächlich hat die SP im Vergleich zu den Wahlen 2007 drei Sitze hinzugewonnen - gleichzeitig aber in der Wählergunst 0,8 Prozentpunkte verloren. Mit einem Wähleranteil von noch 18,7 Prozent hat sie ihr drittschlechtestes Wahlresultat seit 1919 erzielt.
Kein Wort davon in Christens erstem Fazit. Vielmehr schreibt er von «nur kleinen Verlusten» - «klar weniger als alle vier anderen etablierten Parteien». Dass sie die einzige etablierte Partei ohne Abgewählte sei, zeige «eindrücklich das Vertrauen der Leute in die aktuellen Politikerinnen und Politiker der SP».
Neue Parteien für SVP-Verluste verantwortlich
SVP-Generalsekretär Martin Baltisser schreibt in einer ersten Analyse zwar, dass die Partei ihr Wahlziel verfehlt und Wähleranteile verloren habe. «Die SVP bleibt jedoch mit grossem Abstand wählerstärkste Partei und erzielt ihr drittbestes Ergebnis in der Geschichte.»
In Zahlen hat die SVP im Vergleich zu den Wahlen 2007 acht Sitze eingebüsst; ihr Wähleranteil sank von 28,9 auf 26,6 Prozent. Die Abspaltung der BDP zu Beginn der vergangenen Legislatur kostete die SVP vier Sitze, weshalb Baltisser von vier Sitzverlusten spricht.
Die Gründe für das verfehlte Wahlziel von 30 Prozent findet Baltisser bei den neuen Parteien. Schon 1987 hätten die «erstarkenden Grünen und die neu antretende Autopartei» insgesamt über 11 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Als Folge davon hätten - wie 2011 - die Bundesratsparteien Wähleranteile verloren.
Das Rekordergebnis vor vier Jahren schreibt Baltisser dem Komplott gegen den damaligen Bundesrat Christoph Blocher und den Krawallen in Bern zu. Beides habe die Basis überdurchschnittlich stark mobilisiert. «Eine solche Mobilisierung wurde in diesem Jahr nicht mehr erreicht.» Die Sitzverluste schreibt die SVP den fehlenden Listenverbindungen, «insbesondere mit der FDP», zu.
Kein Wort über historisches Tief der CVP
Mit Sitzgewinnen, die freuen und Sitzverlusten, die schmerzen beginnt die «gemischte» Bilanz von CVP-Präsident Christophe Darbellay. Mögliche Fehler werden nicht analysiert, immerhin kommt die Einsicht, die Partei müsse verstärkt neue Wähler gewinnen. Die CVP hat am Wahlsonntag drei Sitze verloren; ihr Wähleranteil ist von 14,5 auf 12,3 Prozent gesunken - ein historisches Tief.
Trotzdem schreibt Darbellay, die Partei «konnte viele, teilweise sehr schwierige Sitze halten, neue Sitze gewinnen». Ebenso habe die CVP den Angriff auf die kleine Kammer erfolgreich abgewehrt. «Die politische Mitte, die konsensorientierten Kräfte wurden gestärkt, die Pole gingen als klare Verlierer aus den Wahlen hervor.»
Klare Analyse der Grünen
Die Grünen hingegen mussten nach den Worten von Präsident Ueli Leuenberger am Wahlsonntag «etliche Federn lassen». Die Zeichen stünden neu auf Mitte - «weg von der Politik der Polarisierung». Die jüngste der fünf grossen Parteien verlor am Sonntag fünf Sitze, und ihr Wähleranteil ging von 9,6 auf 8,4 Prozent zurück.
Leuenberger begründet die Verluste mit Proporzpech, aber auch damit, dass «wir Grünen punkto Wahlanteil nicht vom Fukushima-Effekt profitieren konnten».
Und: «Ein grosses Manko der grünen Kampagne war sicherlich auch die schwache Mobilisierungskraft», schreibt Leuenberger. Über den engen Kreis der Sympathisierenden hinaus seien keine Wähler gewonnen worden. «Vielleicht liegt es daran, dass wir in den letzten Jahren stetig zugelegt haben und träge geworden sind.»
SDA/mrs
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch