«Ein vorgeschobener Grund»
Weshalb gibt Christoph Blocher sein Nationalratsmandat wirklich ab? Und warum gerade jetzt? Dazu die Politologen Georg Lutz und Michael Hermann.

Politologen sind sich einig: Der Rücktritt von Christoph Blocher aus dem Nationalrat dürfte politisch keine grossen Auswirkungen haben, solange Blocher unvermindert politisch aktiv bleibt. Würde es sich um den «Anfang vom Abschied» handeln, wäre die Situation eine andere, sagte der Politologe Georg Lutz auf Anfrage. Gebe Blocher aber lediglich das Nationalratsmandat auf, ändere sich nicht viel.
Blochers Begründung des Rücktritts hat Lutz erstaunt. Dass parlamentarische Arbeit harzig sein könne, sei nicht neu. Diese deswegen als «Zeitverschwendung» zu bezeichnen, mute jedoch seltsam an. Lutz könnte sich vorstellen, dass Blocher aus persönlichen Gründen kürzer treten will, dies aber öffentlich nicht so darstellen möchte.
Inszenierter Rücktritt
Der Rücktritt werde deshalb «als Teil der politischen Kampagne inszeniert», speziell mit Blick auf die Debatte zur EU. Blochers Aussagen der letzten Zeit zu diesem Thema taxiert der Politologe als «Verschwörungsrhetorik».
Fest steht für Lutz: «Blocher braucht den Nationalrat nicht als Bühne.» Er werde weiterhin Gehör finden und sich noch stärker auf das konzentrieren können, was ihm wichtig sei. Nach eigenen Angaben werde er ja auch weiterhin an den Fraktionssitzungen teilnehmen. «Das einzige, was wegfällt, ist die Arbeit in den Kommissionen.»
Moment der Stärke
Auch der Politologe Michael Hermann betont, Blocher brauche die Rolle als Nationalrat nicht. In den vergangenen Jahren habe er eher ausserhalb des Parlaments gewirkt. Erstaunt hat Hermann weniger der Rücktritt Blochers als die Tatsache, dass der Alt-Bundesrat überhaupt noch einmal für den Nationalrat kandidiert hatte.
Er habe dieses Amt dann auch halbherzig ausgeübt, sagt Hermann mit Verweis auf Blochers häufige Abwesenheit. Um es wieder loszuwerden, habe er einen günstigen Moment abgewartet – einen Moment der Stärke, damit es nicht heisse, er sei alt und müde. Diese Rechnung gehe auf. Manche befürchteten nun ja, Blocher könnte noch mehr Kräfte entfalten.
Die Kritik am Parlament hält Hermann wie Lutz für einen vorgeschobenen Grund. Dass es im Parlament schwieriger geworden sei, Kompromisse zu finden, habe Blocher mitverursacht, gibt er zu bedenken. Auswirkungen hat der Rücktritt aus Hermanns Sicht am ehesten auf die SVP-Fraktion. Dort könnte sich nun der eine oder andere «emanzipieren» und eine stärkere Rolle übernehmen.
SDA/fko
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