
Francine Jordi singt, 50’900 Menschen klatschen im Takt. «Zämme ha - zämme stah», so lautet die Hymne des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests, welche die Bernerin beim Festakt in Pratteln zum Besten gibt.
Der Titel dieses Ohrwurms spiegelt das, was sich von Freitag bis Sonntag an der Hülftenschanz abspielt. Die Rede ist von 400’000 Besuchern, die Pratteln an diesen drei Festtagen bevölkern. Aber gefühlt sind es – vor allem zu den Stosszeiten – viel, viel mehr. Zumindest in den Abendstunden, wenn der Sport ruht und die Party steigt, war an ein Durchkommen kaum mehr zu denken.
Gekleidet sind zahlreiche von diesen Esaf-Gängern im Edelweisshemd. Männer, Frauen, Kinder. Jung, Alt. Selbst jene, die erstmals überhaupt einen solchen Sportanlass besuchen, outen sich als Schwingfan. Zu zeigen, dass das Schwingen in ist, ist nicht erst seit gestern hip. Denn die starken Männer im Sägemehl, das ist eben auch ein Stück Schweiz. Und das wird im Baselbiet offensichtlich.
Etwas typischer Schweizerisches als ein Schwingfest gibt es nicht. Bei diesem Mix aus Brauchtum und Sport wird alles miteinander vereint. Man erinnert sich an die Herkunft, an unseren Alltag, den wir hier ohne grosse Hindernisse leben dürfen. Im Wissen, dass es anderswo in Europa nicht so ist.
Da tut es gut, sich ein paar Stunden lang mit diesen Werten auseinanderzusetzen. Gerade in Zeiten, in denen alles, was nicht der Norm entspricht, auf die Goldwaage gelegt wird. Und Debatten entstehen, die gar keine Debatte wert sein sollten. Man erinnere sich etwa an die jüngste Diskussion über die kulturelle Aneignung weisser Menschen, die Dreadlocks tragen. Oder an Super-Indianer Winnetou, der von der ARD aus dem Filmsortiment verbannt wird.
In Pratteln ist das – und auch alles andere, das quasi aus dem Nichts an die Öffentlichkeit getragen wird – kein Thema. Wie sagte OK-Präsident Thomas Weber in seiner Festansprache: «Unsere heutige Schweiz ist die beste und friedlichste Gesellschaft, in der Menschen leben dürfen. Wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist. Arbeiten wir daran, dass die Schweiz die Schweiz bleibt.» Wie recht der Baselbieter Regierungsrat hat.
Diese Swissness, dieses Zusammenhalten, zeigt sich in und rund um die Arena. Da macht Hausi Leutenegger seine Selfies mit Krethi und Plethi, da wartet NHL-Eishockeystar Nino Niederreiter wie jeder andere auch artig in der Schlange, die zur Toilette führt. Und auch David Degen schaut vorbei, obwohl sein FC Basel wenige Stunden später im Letzigrund anzutreten hat.
Gewiss, es gibt diese VIP-Tribüne, die für den 42-Millionen-Franken-Anlass überlebenswichtig ist. Aber das Schöne an einem Esaf ist, dass ausserhalb dieser besten Plätze auf der Tribüne nicht unterschieden wird. Nicht zwischen «Promi» und Normalo, nicht zwischen Mann und Frau, nicht zwischen SVP und SP. Nicht umsonst gilt an jedem Schwingfest die Du-Kultur. Es ist ein Fest, das verbindet. Ein Fest zum Geniessen.
So viel Fairness
Die Traditionen und Geselligkeit sind im stadtnahen Pratteln vorbildlich gelebt worden: Die Nationalhymne am Samstagmorgen, Bratwurst und Bier zum Zmittag, Jodler, Alphorn und Fahnenschwinger. Sowie: Fairness in Arena mit Beifall bei Verletzen, die abtransportiert werden müssen, und ohne Pfeifkonzert bei strittigen Entscheiden.
Das sind eindrückliche Momente im und ausserhalb des Sägmehls, die man von anderen Sportanlässen so nicht kennt. Und von denen jeder Besucher einen Teil davon mit nach Hause genommen hat.
Es ist offensichtlich: Die Schweiz ist an diesem Wochenende ein Stück näher zusammengerückt. «Zämme ha – zämme stah». Das tut gut – in diesen verrückten Zeiten auf einer verrückten Welt.
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Kommentar zum Esaf – Ein Stück Swissness tut in diesen verrückten Zeiten so gut
Nichts widerspiegelt die Schweiz besser als ein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest. Pratteln hat diesen Mix aus Brauchtum und Sport hervorragend gemeistert.