ARD-Runde bei Anne WillEin «Spielchen», das den Grünen-Co-Chef «ganz fürchterlich nervt»
Hat sich in Deutschland die FDP bei den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt? Mit dieser Frage piesackt Anne Will Olaf Scholz und Robert Habeck, den das sichtlich nervt. Aber dann lässt Scholz kurz den künftigen Kanzler aufblitzen.

Talkrunden im Fernsehen, die sich mit der mutmasslichen neuen Ampel-Regierung befassen, haben es im Moment schwer. Die Protagonisten der Gespräche, die jetzt Koalitionsverhandlungen sind, halten nach wie vor so dicht, wie man es der gemeinhin geschwätzigen Politikerkaste gar nicht zugetraut hätte. Niemand weiss, ob im Verlauf der Gespräche mal jemand einen der anderen angeblafft hat, genervt die Augen verdreht hat, wenn er sich Sachen anhören musste, die er schon immer für falsch gehalten hat. Oder gar ein Glas Orangensaft auf den Tisch geknallt hat wie Friedrich Merz beim Gerangel um die Wahl des Unions-Fraktionschefs.
Also muss man sich damit behelfen, das zwölfseitige Sondierungspapier abzufieseln wie einen alten Knochen. Wo ist es zu wessen Gunsten hart ausgefallen oder zu wessen Ungunsten vage geblieben? Die gängige Lesart dabei ist, dass sich die FDP in ihren Kernanliegen durchgesetzt hat, während die beiden anderen entweder Abstriche machen oder sich mit weichen Formulierungen zufrieden geben mussten. Wie zum Beispiel damit, dass der Kohleausstieg «idealerweise» auch schon früher kommen könne.
Lindners Porsche
Auch Anne Will lässt sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, den vermutlichen neuen Kanzler Olaf Scholz und seinen vermutlichen Vizekanzler Robert Habeck mit dieser Frage zu piesacken. Beide reagieren darauf auf ziemlich unterschiedliche Weise. Habeck ist bei Wills Frage, warum denn Lindners Porsche nicht mit einem Tempolimit gestoppt worden sei, sichtlich angefasst und sagt, dass ihn «dieses Spielchen ganz fürchterlich nervt».
Olaf Scholz hingegen antwortet auf die Frage, wie sehr ihn das Gerede vom Sieg der FDP nerve: «Gar nicht». Scholz verfügt in solchen Situationen über eine Art naturgegebenen Vorteil. Er hat nicht nur seine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle, sondern kann ansatzlos in den nüchternen Erklärmodus schalten. Also trägt Scholz nochmals vor, was er alles im Wahlkampf auf den Marktplätzen gesagt habe und dass sich vieles davon auch in dem Sondierungspapier wiederfinde.
Dann geht Scholz urplötzlich in die Offensive
Allerdings lässt Will nicht locker, wozu auch die anderen Gäste beitragen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert zeigt sich enttäuscht von den Beschlüssen zum Klimaschutz, woraufhin Habeck abwehrend mit den Händen wedelt und der Journalist der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ), Rainer Hank, ein neoliberaler Hardliner, stellt vergnügt fest, von einem Ausbau des Sozialstaats finde sich «fast nix» in dem Sondierungspapier, ganz im Gegensatz zu früheren Regierungen, an denen die SPD beteiligt gewesen sei. Scholz zeigt an dieser Stelle sein berühmtes mokantes Lächeln, das CSU-Chef Markus Söder mal als schlumpfig bezeichnet hat. Aber dabei wird es nicht bleiben, wie sich schon wenig später zeigt.
Sozusagen zum Aufwärmen entgegnet Scholz auf Wills Frage, wie FDP-Chef Lindner es denn geschafft habe, SPD und Grünen das alles abzuhandeln noch ohne sonderliche Schärfe im Ton es sei «schon ok, dass Sie hier Ihre Obsession verfolgen». Aber dann geht Scholz urplötzlich in die Offensive. Er lässt gewissermassen den künftigen Kanzler aufblitzen und man ahnt in diesem Moment, dass den Scholz-Satz, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch, in den nächsten vier Jahre noch viele spüren werden.
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