Ein Schweizer Nationaltrainer fordert die Schweiz
Roger Bader kämpft mit Österreich beim heutigen WM-Auftakt (12.15 Uhr) nicht nur um Punkte gegen den Abstieg.

Der Mann, der am Samstagmittag den Schweizern den WM-Start verderben möchte, ist einer der Ihren. Der Zürcher Roger Bader leitet als Trainer die Geschicke der österreichischen Nationalmannschaft, doch in der Heimat ist sein Name breiten Kreisen fast unbekannt. Umso erstaunlicher, als Bader einst ein Senkrechtstarter war. «Ich bin eigentlich seit 30 Jahren Profitrainer», sagt er, «obwohl ich erst 52 bin.»
Die Jahrzehnte spiegeln sich morgen in den Gesichtern seiner Gegner. Joël Genazzi und Tristan Scherwey kennt Bader aus seiner Zeit als Juniorentrainer bei Fribourg, Gregory Hofmann, Reto Schäppi, Gaëtan Haas und viele andere aus dem U-18-Nationalteam. Besonders weit zurück reicht die Beziehung zu Lukas Frick, den er als 16-Jährigen einst in die 1.-Liga-Mannschaft von Uzwil beförderte. Ebenso wie eine Generation zuvor einen gewissen Mathias Seger.
Es darf darum als schwere Untertreibung gelten, wenn Bader den Match gegen seine Heimat «ein bisschen spezieller» nennt. Gegen ein Land, wo er trotz 30 Jahren Erfahrung eines nie sein durfte: Cheftrainer in der höchsten Liga.
Der überraschende Aufstieg
Und so spricht Österreichs Nationaltrainer davon, dass er den Match nicht anders vorbereite als ein Spiel gegen Schweden oder Weissrussland. Dass die Schweiz Favorit sei und das WM-Ziel der Österreicher einzig, die Kette von zehn Jahren zu durchbrechen, in denen der Aufsteiger stets wieder abstieg. Dass es keineswegs ein Vorteil sei, dass er mit den Schweizern eng vertraut sei, weil heutzutage jeder Trainer jeden Gegner kenne: «Ich gehe davon aus, dass auch Patrick Fischer alles über uns weiss, was er wissen will.»
Vorgesehen war dieses schweizerisch-schweizerische Kräftemessen nicht wirklich. Als Bader, beim österreichischen Verband eigentlich als Sportdirektor angestellt, im November 2016 interimistisch das Nationalteam übernahm, schien ein Aufstieg an der B-WM 2017 utopisch. Umso mehr, als dort gleich das Auftaktspiel gegen Kasachstan verloren ging. Doch danach reihte man Sieg an Sieg und schaffte die Promotion. Zum Lohn wurde Baders Vertrag im Doppelmandat bis 2020 verlängert – und mangels Gastgeberland trat Innsbruck als Veranstalter der B-WM 2018 zurück.
Triumph mit Del Curto
Es war ein erstaunlicher Karrierehöhepunkt für einen, der sich früh für die Trainerlaufbahn entschied. Der mit 23 beim damaligen NLB-Club ZSC Nachwuchschef und Assistenztrainer von Alpo Suhonen wurde, danach in sechs Jahren bei den Zürchern fünf Trainer erlebte. Bader stieg mit Neil Nicholson auf, triumphierte 1992 mit Arno Del Curto in der legendären Playoff-Serie gegen Lugano.
Wenngleich die Cheftrainer beim ZSC mit hoher Kadenz wechselten: Bader blieb. «Das war für mich ein Glück, denn so konnte ich mir meine Sporen abverdienen und meine mangelnde Spielerkarriere kompensieren», blickt er zurück. Und noch etwas zeichnete ihn aus: «Ich war immer der Jüngste bei allem. Ich war der jüngste Assistenztrainer in der Nationalliga, der jüngste Nachwuchschef. Früher gab es auch einen zweijährigen Nationalliga-Trainer-Lehrgang – bei dem war ich auch der Jüngste.»
Grosse Rückstände im Vergleich zur Schweiz
Der Jüngste ist er mittlerweile nicht mehr. Doch für frischen Wind sorgt Bader mehr denn je. Denn an seiner heutigen Wirkungsstätte ist längst nicht alles so, wie sich das ein Nationalcoach wünscht. Ein Problem ist, dass Österreich über viel weniger Lizenzierte (9483) und Junioren (4458) verfügt als die vergleichbar grosse Schweiz (26 840/14 382), über weniger öffentliches Interesse und Geld. Ein anderes Problem ist die Liga, wo bis zu elf Ausländer pro Team eingesetzt werden und für Einheimische wenig Platz bleibt.
«Ein Nationaltrainer will immer, dass seine Spieler eine möglichst gute Rolle haben», sagt Bader, «von daher will ich selbstverständlich, dass die Zahl der Ausländer reduziert wird.» Bei den meisten Clubs kommen solche Töne weniger gut an. «Die wollen einfach das nächste Spiel gewinnen», weiss Bader.
Ein Diplomat
Es ist eine Problematik, die man auch in der Schweiz bestens kennt. Nur dass die Lösungsvorschläge in Österreich von einem Ausländer kommen. «Ich glaube, dass ich den richtigen Ton treffe», gibt sich Bader überzeugt. Er sei diplomatisch genug, die Stärken der Österreicher zu erkennen und trotzdem aufzuzeigen, was die Schweiz in den letzten 20 Jahren besonders gut gemacht habe, strukturell und strategisch. «Ich kann es nicht fordern, aber ich kann es mir wünschen», sagt Bader zur Reduktion des Ausländerkontingents.
Er kennt das Thema aus erster Hand, denn das war der Mann ja auch noch: 4 Jahre lang die rechte Hand von Trainerlegende Wladimir Jursinow in Kloten, 13 Jahre lang Trainer bei Schweizer Junioren-Nationalteams. Jursinow hat ihn mit seiner Offenheit gegenüber Neuem geprägt, Ralph Krueger mit seiner strukturierten Arbeitsweise. Beide zählt Bader zusammen mit Del Curto, der bis heute ein Freund ist, und Suhonen, der ihn 2014 als Nachwuchschef zum österreichischen Verband lotste, zu seinen wichtigsten Einflüssen.
Seit 25 Jahren nicht verloren
Warum aber führte dieser illustre Lebenslauf nie zu einem Cheftrainerjob in der höchsten Schweizer Liga? «Ich habe die Chance einfach nie bekommen», antwortet Bader, «dafür muss man auch ein bisschen Glück haben.» Er betont, wie glücklich er sei in Österreich, wo er viel Wertschätzung erfahre und ein tolles Amt habe. Aber ganz aus dem Sinn ist die National League trotzdem nicht. «Was nicht ist, kann ja noch werden», so der Zürcher.
Das heutige Spiel gegen die Heimat ist darum auch eine Visitenkarte für Bader und seine Arbeit. Mit Stefan Ulmer, Dominic Zwerger, Patrick Obrist sowie dem künftigen Ambri-Stürmer Fabio Hofer sind vier Akteure mit Schweizer Bezug dabei, von der Papierform her ist die Weltnummer 16 klarer Aussenseiter.
Doch was heisst das schon? Längst sind die Österreicher für die Schweiz zum Angstgegner mutiert, letztmals verloren sie an einer WM im Jahr 1993 (1:5). Bader will in einem Vierteljahrhundert Unbesiegtheit keinen Vorteil erkennen. «Die Vergangenheit hat keinen Einfluss auf unsere Leistung», sagt er. «Aber ob Vorteil oder nicht: Es ist einfach Fakt.»
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Bilder: Die Stars an der Eishockey-WM
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