Ein Schock geht um die Welt
Taumelnde Staatsbetriebe in Russland, deutsche Kommunen in der Bredouille und polnische Hausbauer unter Druck: Wie sich Schuldner im Ausland mit dem Franken ins Abseits manövriert haben.

Vor nicht allzu langer Zeit galten Franken-Kredite im Ausland als cleverer Weg, um Geld zu sparen. Weil das Zinsniveau in der Schweiz niedriger war, waren auch die Kredite billiger. Man verliess sich darauf, dass der Wechselkurs und damit die Höhe der Zinsen stabil bleiben würden. Mit der überraschenden Aufhebung der Untergrenze am vergangenen Donnerstag kam das böse Erwachen: Durch die plötzliche Aufwertung des Frankens erhöhten sich Schuldensumme und Zinszahlungen schlagartig.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) berichtet vom Fall Essen. Die deutsche Stadt mit rund 537'000 Einwohnern hält Fremdwährungskredite in Höhe von 450 Millionen Schweizer Franken. Er erlebe nun «die schwärzesten Tage» seiner Karriere, sagt Essens Kämmerer Lars-Martin Klieve der FAZ. Seine Stadt hat schon mehr als drei Milliarden Euro Schulden angehäuft, nun wird wohl mit einem Schlag ein hoher zweistelliger Millionenbetrag hinzukommen. Essen ist mit diesem Problem nicht allein, mehrere Dutzend weitere Kommunen sind betroffen. Ihr Handlungsspielraum wird zusätzlich eingeschränkt.
Franken-Kredit als «tickende Zeitbombe»
Auch in Polen ist der Schock nach dem SNB-Entscheid gross. Die Landeswährung Zloty stürzte gegenüber dem Franken um 22 Prozent ab. 575'000 polnische Familien müssen laut dem Nachrichtendienst «Bloomberg» höhere Zinsen für ihre Franken-Kredite zahlen. Polnische Banken hätten entsprechende Hypotheken im Wert von gesamthaft 30 Milliarden Franken ausgegeben.
Die polnische Opposition forderte die Geldinstitute auf, den Sparern unter die Arme zu greifen: Sie sollen die Franken-Kredite in Zloty umrechnen, zum Kurs, der vor dem SNB-Entscheid herrschte. Dies schliesst Marek Belka, Chef der polnischen Zentralbank, allerdings aus. Auch wenn er es als ungerecht bezeichnet, dass die Folgen des Währungsrisikos nun von den Bankkunden allein getragen werden. Belka hatte die Franken-Kredite bereits letztes Jahr als «tickende Zeitbombe» bezeichnet.
Russische Staatsbetriebe im «perfekten Sturm»
In Kroatien wird darüber diskutiert, den Wechselkurs der Landeswährung Kuna zum Franken auf dem Stand vor dem 15. Januar zu fixieren. Hier sind laut «Bloomberg» 60'000 Haushalte vom Währungssturm betroffen, die zusammen Kredite in der Höhe von 2,8 Milliarden Franken halten. Eine Fixierung des Wechselkurses wäre laut Premierminister Zoran Milanovic eine «politische Entscheidung», welche Familien vor dem Bankrott bewahren würde. Ökonomen sprechen hingegen von Populismus: Milanovic wolle verhindern, dass sein Image just im Wahljahr unter den aktuellen Geschehnissen leide.
Auch in Russland hat der SNB-Entscheid viel Geld vernichtet. Besonders hart trifft es laut «Bloomberg» Firmen im Staatsbesitz, die Franken-Kredite halten: Ihre Schulden seien per Ende des Jahres um etwa 430 Millionen Franken angestiegen. Das bringe die Unternehmen, die bereits unter den westlichen Sanktionen, dem fallenden Ölpreis und dem schwächelnden Rubel litten, in eine noch schwierigere Lage. Die Frankenaufwertung sei das Letzte, was diese Firmen brauchen könnten, sagt der Analyst Richard Segal von Jefferies International: «Das ist ein weiterer Sturm auf der Spitze eines perfekten Sturms.»
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