«Ein Missstand reiht sich an den anderen»
Die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann wirft dem Staatssekretariat für Migration grosses Versagen vor.

BaZ: Frau Steinemann, welche Flüchtlingspolitik verfolgt die Schweiz?
Barbara Steinemann:Es ist überhaupt keine Strategie zu erkennen. Es herrscht – gelinde gesagt – ein Asylchaos. Es kann wohl niemand von der Hand weisen, dass unsere Praxis nicht geeignet ist, die wirklich Verfolgten zu schützen und die Abenteurer abzuweisen. Nirgends gibt es derart viele Missstände und Gesetzesverstösse wie im Asylbereich.
Sie bezeichnen die Schweiz in dieser Frage als nicht zivilisierten Staat?
In allen anderen Bereichen geben wir uns sogar sehr zivilisiert. Parkieren Sie mal Ihren Wagen im Parkverbot – da schlägt der Staat gnadenlos zu. Geben Sie Ihre Steuererklärung zu spät ab – Sie kriegen einen eingeschriebenen Brief mit Sanktionsandrohung. Im Asylwesen reiht sich Missstand an Missstand, ohne dass es für jemanden Folgen hätte – ausser den Steuerzahler. Die Regeln des Rechtsstaats müssen immer mehr politischer Opportunität weichen. Das ist gefährlich.
Von welchen Missständen sprechen Sie denn konkret?
81 Prozent der Asylbewerber, die bei uns eintreffen, tragen keinen Ausweis auf sich, und bei rund einem Viertel aller Asylpersonen ist in den Dokumenten der 1. Januar als Geburtstag eingetragen. Dies lässt keinen anderen Schluss zu, als dass sie bei der Abklärung ihrer Identität nicht kooperativ waren. Die Überprüfung von Handydaten wird beispielsweise unter Berufung auf Persönlichkeitsschutz verhindert. Niemand traut sich das auszusprechen, aber wir haben keine Ahnung, wer da in der Schweiz Fuss fasst. Wir hatten in der Gemeinde einen Fall, wo jemand unter fünf verschiedenen Namen Asylgesuche gestellt hat. Weil man nicht weiss, wer das ist und wohin man ihn zurückschaffen muss, hat er eine vorläufige Aufnahme erhalten. Wir verzeichnen massenhaft illegale Grenzübertritte und übrigens sind 82 Prozent der Asylantragssteller Männer.
Sie sagen also, dass das zuständige Staatssekretariat für Migration (SEM) zu lasch handelt?
Ja, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Doch diese Leute sind ja nicht dumm. Sie werden politisch geführt. Mittlerweile sind Gesuchsteller vor allem dann erfolgreich, wenn sie unehrlich und fordernd sind. Diese werden mit einem Bleiberecht und damit dem Zugang zum Schweizer Sozialstaat belohnt.
Wann sprechen Sie von einem «falschen Asylbewerber»?
Echte Flüchtlinge, also solche, die an Leib und Leben bedroht sind, weichen auf die umliegenden Länder oder die konfliktfreien Gebiete innerhalb des eigenen Staates aus. Diesen Menschen zu helfen, ist unsere wichtigste Aufgabe, allein für die syrischen Flüchtlinge und deren Infrastruktur hat die Schweiz ja bisher auch mehr als 250 Millionen Franken Hilfe geleistet. Nach Mittel- oder Nordeuropa kommt, wer sich Schlepper leisten kann. Immer mehr Migranten in Chiasso wollen die Schweiz bloss als Transitland nutzen, weil sie sich nördlich der Schweiz bessere Chancen auf ein Bleiberecht erhoffen. Hat man in einem Land kein Glück oder ist mit den Bedingungen unzufrieden, taucht man unter und versucht das Ganze in einem anderen Land. Aus diesem Problem ist das Dublin-System entstanden. 2016 tauchten mehr als 50 Prozent der Asylanten unter, bevor überhaupt die vollständige Erfassung ihres Antrags erfolgte. Da frage ich mich schon, wie ernst es ihnen mit ihren Fluchtgründen ist.
Was müsste man tun, um den Missbrauch zu bekämpfen?
Wichtig ist es, im Sinne einer Sofortmassnahme, falsche Anreize zu eliminieren. Asylbewerber sollen nicht auf die Gemeinden verteilt, sondern in Zentren des Bundes untergebracht werden. Anstelle einer Vollversorgung für Asylbewerber müsste nur Nothilfe geleistet werden. Es soll sich nicht lohnen, aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz zu kommen. Der Kanton Graubünden hat Kollektivunterkünfte in abgelegenen Regionen eingerichtet. Nur wer sich seinen eigenen Lebensunterhalt selbst verdiente, durfte in eine eigene Wohnung ziehen. Aus diesem Grund hat Graubünden die höchste Erwerbsquote. Bei den Rückführungen läuft momentan praktisch nichts, mittlerweile klappt ja auch mit unseren Dublin-Vertragspartnern nur noch jedes vierte Rücküberstellungsgesuch. Die Vorstellung, wonach ein abgewiesenes Asylgesuch mit dem Verlassen der Schweiz endet, ist mittlerweile völlig überholt.
Welches wäre der richtige Weg, um Fluchtursachen zu bekämpfen?
Am sinnvollsten scheint mir, die Sozialleistungen auf ein Minimum zu beschränken – konkret auf acht bis zwölf Franken beziehungsweise die Leistungen nur in Gutscheinen zu tätigen. In ihrer Heimat besassen sie wenig, lebten von der Hand in den Mund. Hier werden ihnen monatlich mindestens tausend Franken in bar ausgehändigt – wie im Märchen. Leute, die sich regelmässig in der Nähe eines Schalters des Geldtransferdienstes von Western Union aufhalten, sind immer wieder überrascht zu sehen, wie viele Schwarzafrikaner sich dort aufhalten und Einzahlungen tätigen.
Dann gibt es Probleme, zu denen ich auch keine Lösung weiss: Immer mehr Asylbewerber geben an, minderjährig zu sein. Sie geniessen eine bevorzugende Behandlung, ihre Betreuung kostet 60 000 Franken pro Jahr. Der Durchschnittslohn in der Schweiz ist übrigens bei 66 000 Franken. Hier hat der Sozialstaat einfach seine Massstäbe verloren.
Hat die Schweiz inzwischen eine Willkommenskultur?
Spanien, Portugal und einige ehemalige Ostblockstaaten pflegten keine Willkommenskultur, entsprechend verzeichnen sie kaum Asylgesuche. Migranten suchen sich aus, wohin sie wollen, die meisten wollen nach Deutschland. Die Ansage, immer noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen, ist angesichts der Arbeitslosigkeit, der Staatsverschuldung und der erodierenden Sozialkassen im Land sozialpolitisch gefährlich.
Haben wir nun also eine Willkommenskultur oder nicht?
Allein schon eine Blick in die Staatsrechnungen der Eidgenossenschaft sagt klar Ja: Gab der Bund 2009 noch 600 Millionen Franken für Asylsozialhilfe aus, so werden es nächstes Jahr 1,73 Milliarden sein, das ist eine Steigerung um 187 Prozent in zehn Jahren. Das ist die Sozialkostenwelle, die auf die Gemeinden zurollt. Daran dürften viele kaputtgehen.
Sie sprechen den Umstand an, dass der Bund nur fünf beziehungsweise sieben Jahre zahlt.
Wer es in der Schweiz geschafft hat, darf seine Familie nachziehen, der Anspruch auf Leistungen richtet sich nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Eine sechsköpfige Familie – beispielsweise aus Somalia – erhält danach 2662 Franken Bargeld. Miete inklusive Nebenkosten und die Beiträge an die Sozialversicherungen werden übernommen. Das macht deutlich mehr als 6000 Franken aus. Zu diesen Standardleistungen kommen horrende Krippenkosten, Integrationskurse sowie Sozialarbeit von externen Sozialfirmen zu 120 bis 160 Franken die Stunde, manchmal für mehrere Tausend Franken monatlich, die über Jahre laufen und in allen Lebenslagen helfen. Wo finden diese Flüchtlinge einen Arbeitsplatz, wo ihnen trotz des Bildungsrückstandes und der kulturellen Differenzen mehr geboten wird als mit Sozialhilfe?
Warum ist das SEM so grosszügig?
Schlüsselstellen sind von ausrangierten NGO-Leuten besetzt. Ich denke zum Beispiel an Direktor Mario Gattiker, der Chef Rechtsdienst bei der Caritas war. Beim SEM wäre ein grosses Reinemachen angezeigt. Es braucht dort keine Sozialromantiker, sondern verantwortungsvolle Personen, die ihre schützende Hand nicht über falsche Asylbewerber halten. Der Bund und seine Praxis definieren die Asylpolitik. Was im Gesetz steht, ist längst bedeutungslos, denken Sie an die Abstimmung von 2013, als man Militärflucht als Asylgrund aus dem Gesetz kippte. Bis heute dürfen trotzdem alle bleiben. Dass es ein Glücksspiel geworden ist, darauf deutet auch die sehr unterschiedliche Schutzquote in Europa hin – sowohl zwischen den Aufnahmeländern als auch bezüglich der Herkunftsnationen.
Sie sind Mitglied der Sozialbehörde Regensdorf. Welchen Handlungsspielraum haben Gemeinden?
Was die Aufnahme von Asylpersonen betrifft, keinen. Es ist aber ein grosser Unterschied, wer einer Gemeinde zugeteilt wird. Bei vielen bildungsfernen Personen lohnt es sich nicht, in Ausbildung zu investieren, sie werden von vornherein als nicht arbeitsmarkttauglich eingestuft. Andere bemühen sich mit Eigeninitiative, zum Teil erfolgreich, was mich sehr freut. Ein anderer Teil richtet sich auf ein vom Steuerzahler finanziertes Leben ein. Sie kennen ihre Rechte, wissen, worauf sie Anspruch haben. Dafür sorgt ein Netzwerk von Anwälten und linken Hilfsorganisationen, die sich am Staatssäckel schadlos halten.
Welche Folgen resultieren daraus?
Die Optionen der Gemeinden sind, wenn sich keine Arbeitgeber finden, die mehr Lohn zahlen, als den Betroffenen mit Sozialhilfe zustehen: Defizite, Schuldenanstieg, Steuererhöhungen. Ohnehin hat keiner eine Vorstellung, wann mit dieser Entwicklung Schluss sein soll. Wenn die Gemeinden an den Sozialkosten kaputtgegangen sind? Wenn afrikanische Migranten die Mehrheit stellen? Es graut mich vor einer 14 Millionen Einwohner Schweiz, wo fünf, sechs oder mehr Millionen Afrikaner vorab von Fürsorgegeldern leben. Darauf läuft es aber hinaus.
Was ist aber ernsthaft gegen die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt einzuwenden?
Es ist ein Unterschied, ob man arbeiten darf oder arbeiten muss. Viele Migranten kennen nicht mal eine Zahnbürste, geschweige denn unser Alphabet. Integration ist Aufgabe der Gemeinden. Der Weg zum Gastrogehilfen, Lageristen oder Reinigungsfachmann dauert Jahre und verursacht enorme Integrationskurs-Kosten. Das macht dann insgesamt zwischen 40 000 und 100 000 Franken für die Integration einer einzigen Person. Leider sind das allzu oft keine Investitionen, also Ausgaben, die sich schliesslich rechnen.
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