Ein Medienprofi mit Ellenbogen-Mentalität
Führungsstärke, Entscheidungskraft und Gespür für Medienwirksamkeit: Frankreichs neuer Premier Manuel Valls gilt als Umfrageliebling. Doch der Einzelgänger könnte für die Regierung zum Problem werden.
Er bringt Qualitäten mit, die bisher in der französischen Regierung bitter vermisst wurden: Führungsstärke, Entscheidungskraft und Gespür für Medienwirksamkeit werden Manuel Valls zugestanden, den Präsident François Hollande heute Abend zum neuen Premierminister Frankreichs ernannte. Doch der Staatschef weiss auch um die Risiken, die sich in der Persönlichkeit seines bisherigen Innenministers verbergen: Der früher häufig als Einzelkämpfer agierende 51-Jährige polarisiert die regierenden Sozialisten, die in ihrer derzeitigen Krise eigentlich unbedingt den Zusammenhalt brauchen.
Der im katalanischen Barcelona geborene Valls zählte ursprünglich nicht zu den langjährigen Vertrauten Hollandes. Doch als Kommunikationschef im Wahlkampfteam des Sozialisten 2012 erwarb es sich dessen Vertrauen und galt letztlich sogar als einer der massgeblichen Architekten von Hollandes Wahlsieg. Der ehrgeizige Medienprofi erhielt zum Dank das Innenministerium und stieg dort trotz - oder wegen - seines harten Kurses in der Ausländerpolitik zum Umfrage-Liebling der Franzosen auf. Damit steht er im Ansehen bei den Franzosen im klaren Gegensatz zu seinem Vorgänger an der Regierungsspitze, dem am Montag zurückgetretenen Premierminister Jean-Marc Ayrault.
Auf Sarkozys Spuren
Lange galt der zum rechten Parteiflügel zählende Valls als Einzelgänger und Querschläger in der sozialistischen Partei. Der studierte Historiker trat schon als junger Mann der PS bei, noch bevor er mit 20 Jahren in Frankreich eingebürgert wurde. Rasch machte Valls auf sich aufmerksam, wurde Berater von Ex-Regierungschef Michel Rocard für studentische Fragen, später Gemeinderat, Regionalrat, Mitglied der Parteiführung, bis er 1997 für Premier Lionel Jospin die Pressearbeit übernahm. Auch als Parlamentsabgeordneter ab 2002 mischte der Bürgermeister von Evry im Grossraum Paris auf nationaler Ebene mit.
Als Innenminister setzte der schneidige Dunkelhaarige mit dem kantigen Gesicht auf einen Kurs, den manche Kritiker als Fortsetzung der umstrittenen Politik unter Frankreichs konservativem Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy empfanden. So kam Valls durch die Räumung von Roma-Lagern und die Abschiebung von Ausländern regelmässig in die Schlagzeilen - und handelte sich im vergangenen Herbst bei der Abschiebung des Roma-Mädchens Leonarda sogar Massenproteste von Schülern ein. Seine Beliebtheit bei den Franzosen litt zuletzt etwas.
Rücksichtslose Ellenbogen-Mentalität
Der mit einer Musikerin verheiratete Valls liess sich bisher aber nie durch Kritik beeindrucken. Schon vor Jahren hatte er mit Attacken gegen den Parteiapparat und gegen ideologische «Heiligtümer» der Sozialisten wie die 35-Stunden-Woche den Zorn vieler Linker auf sich gezogen. Der Mann, dem seine Widersacher eine rücksichtlose Ellenbogen-Mentalität vorwerfen, könnte jetzt freilich genau der Richtige sein, um Hollandes ungeliebte Wirtschaftsreformen durchzupauken. Gelingt ihm dies, dann dürfte seine Ernennung zum Premierminister für Hollande allerdings noch ein weiteres Risiko bergen: Valls werden Ambitionen auch für die Präsidentenwahl 2017 nachgesagt.
AFP/wid
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