Ein Lehrer mit Blick auf die Menschenwürde
René Däschler (62) ist Deutschlehrer für Asylsuchende. Für ihn ist dies gelebtes Christentum.
Wädenswil. - Zwischen den Deutschstunden packt er Tee und Sirup aus und setzt sich mit seinen Schülern auf die Terrasse. Die Asylbewerber erzählen von ihren Geschichten und Schicksalen, plaudern untereinander, stellen Fragen. René Däschler ist nicht nur Deutschlehrer, er ist auch Zuhörer und Vertrauensperson. «Du erfährst tragische Schicksale», sagt er. Dann erzählt er von einem Eritreer, dessen Familie im Krieg gegen Äthiopien ermordet wurde. «Ich fragte: Wie heisst Deine Schwester? Und er antwortete: Sie ist tot, wie meine Eltern und Brüder.» Dann erzählt Däschler von Somaliern, die im Krieg aufgewachsen sind, von Kurden, welche auf ihren Armen die Folterspuren von ausgebrannten Zigaretten tragen. «Meine Arbeit hat wohl mehr mit gelebtem Christentum zu tun als viele traditionelle Gottesdienste», sagt Däschler. Fast Priester geworden Als Sohn eines religiösen Vaters besuchte Däschler die Stiftsschule der Hofkirche Luzern, wo er bereits als Zehnjähriger Ministrant war. Jeden Morgen musste er den Priestern lateinische Antworten geben sowie Wein und Wasser reichen. Was aufregend war für den kleinen René. Und so schickte ihn sein Vater darauf in das katholische Ordensinstitut, wohl mit dem insgeheimen Wunsch, ihn einmal als Priester zu sehen. Doch die acht Jahre im Institut - Däschler durfte nur drei Mal pro Jahr nach Hause - sowie die bevorstehenden Ordensgelübde Gehorsam, Keuschheit und Armut waren ihm zu eng und zu hierarchisch. Der Weg zum Religionslehrer Nach einem Sozialpraktikum in einem Erziehungsheim entschied sich Däschler für die Ausbildung zum Religionslehrer am Katechetischen Institut Luzern. Dort unterrichtete er später 17 Jahre lang.Während seiner Ausbildung besuchte er zudem an der theologischen Fakultät Vorlesungen zur Befreiungstheologie in Südamerika, welche ihn stark interessierte. Denn was Däschler am Christentum reizte, war der gelebte Glaube der Brüderlichkeit. «Die Frage der Gerechtigkeit war etwas, das mich immer interessierte.» Nach mehrjähriger Tätigkeit als Religionslehrer in Schaffhausen zog er mit seiner Frau Erna nach Wädenswil, wo später ihre beiden Kinder Guido und Sara auf die Welt kamen. Während 26 Jahre war er Leiter der kirchlichen AV-Medienstelle des Kantons Zürichs, wo audiovisuelles Unterrichtsmaterial für den Religionsunterricht und die Erwachsenenbildung konzipiert, produziert, verliehen und verkauft wurde. Sein soziales Bewusstsein brachte ihn 1994 dazu, in Wädenswil den Verein «Schärmen» mitzubegründen, einen Zufluchtsort für Drogenabhängige. René Däschler war im Vorstand tätig, aber auch vor Ort als Betreuer. 2004, als die Behörden eine in Niederwil AG integrierte Familie aus dem Kosovo zwangsweise ausschafften, gründete René Däschler als Pfarreiseelsorger dieser Gemeinde einen Verein, um die Familie in Kosovo zu unterstützen und dem Vater zu ermöglichen, dort eine Zahnarztpraxis aufzubauen. 2005 entschied sich Däschler, sich von der Kirche unabhängig zu machen. Die Kirche von unten Die Zukunft der Kirche sieht Däschler nicht in langatmigen und personenbezogenen Liturgien, sondern in einer «Kirche von unten», im Gottesdienst am Tisch im kleinen Rahmen. Die Anwesenden lesen und besprechen Bibeltexte, reichen Brot und Wein und feiern - gleich dem Abendmahl - die Zusammengehörigkeit und sammeln somit Stärke und Kraft. «Ich empfinde eine gewisse Unehrlichkeit in der heutigen Amtskirche», sagt Däschler. «Es wird an Gesetzen und Prinzipien festgehalten, die längst nicht mehr mit der Realität übereinstimmen.» Däschler besucht regelmässig die Agapefeiern des Vereins «Schwestergemeinde Brasilien». Die Gruppe unterstützt gleichzeitig eine Kinderkrippe in einem Armenviertel in Salvador da Bahia. 2006 begann der heute 62-Jährige seine Tätigkeit als PC-Kursleiter bei Caritas Schweiz im Asylzentrum Grünenwald in Muotathal. Heute unterrichtet er an zwei Tagen in der Woche in Lachen Deutsch für Asylbewerber, die in einer Gemeinde wohnen, aber noch nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen. Däschler geht es aber um mehr als nur um das Vermitteln einer Sprache. Es geht ihm um die Würde des Menschen, darum, «dass diese Menschen auf der untersten Stufe der sozialen Leiter als würdige Personen ernst genommen und geachtet werden». Das ist für Däschler echtes, gelebtes Christentum.
René Däschler: Hat sich zum Religionslehrer ausbilden lassen und gibt heute Asylsuchenden Deutschunterricht.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch