Ein katalanischer Staat wäre der Weg ins Abseits
Auch die Schweiz würde ein unabhängiges Katalonien nicht anerkennen.

Gestern mussten die katalanischen Autoritäten aktiv werden. Das Gesetz, das den Weg für das Referendum freimachte, sah dies so vor. Denn nachdem die Wahlbehörde feststellte, dass die Bevölkerung – oder zumindest die Mehrheit der Abstimmenden – ihre Zustimmung zur Unabhängigkeit gegeben hatte, hätten die katalanischen Behörden theoretisch innerhalb von 48 Stunden die Loslösung von Spanien erklären müssen.
Carles Puigdemont, der Chef der katalanischen Regionalregierung, hat dies gestern nicht getan. Er hat das Parlament aber um ein Mandat gebeten, um Katalonien zu einem unabhängigen Staat zu erklären. Er setzt dazu auf Verhandlungen mit Madrid und schlug in seiner Rede vor, dass das Parlament die Auswirkungen einer Unabhängigkeitserklärung aussetzt, um zunächst Gespräche zu führen.
Tags zuvor liessen Stimmen aus den europäischen Hauptstädten erahnen, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung gleichbedeutend mit dem Weg in die politische Isolation sein dürfte. Grossbritanniens Premierministerin Theresa May sprach der Zentralregierung in Madrid ihre Unterstützung in der Causa Katalonien aus. Im Falle einer Ablösung müsse Katalonien die EU gar verlassen, tönte es aus Paris.
Sowohl der Elysée-Palast in Paris als auch das Kanzleramt in Berlin liessen zudem verlauten, dass sie im Falle einer Sezession von einer Anerkennung Kataloniens als eigener Staat absehen werden. Aus Bern, vom EDA, war diesbezüglich noch nichts zu vernehmen, auch auf Anfrage nicht. Dass die Schweiz jedoch ein eigenständiges Katalonien anerkennen würde, das darf bezweifelt werden. Denn ein solcher Schritt wäre eine klare Völkerrechtsverletzung. Eine Anerkennung Kataloniens müsste als ein verbotener Eingriff in die Belange des souveränen Staates Spanien gewertet werden.
Das Völkerrecht kennt in Ausnahmefällen ein Sezessionsrecht. Eine Anwendung desselben setzt jedoch voraus, dass ein Volk Opfer schwerer und systematischer Menschenrechtsverletzungen geworden ist und die Sezession die einzige und letzte Möglichkeit ist, diese zu beenden. Das ist für Katalonien sicher nicht gegeben.
Zudem erfüllt Katalonien nach Ansicht von Völkerrechtsexperten auch keine der drei notwendigen Bedingungen, um überhaupt als Staat gelten zu können. In der Völkerrechtspraxis geht man davon aus, dass ein Staat, um als solcher anerkennt zu werden, ein eigenes Staatsgebiet und -volk haben sollte sowie im Besitz der Staatsgewalt sein muss. Letzteres bedeutet, dass eine Regierung vorhanden sein muss, die gegen aussen und innen effektiv und unabhängig agieren kann. Katalonien verfügt weder über ein eigenes Hoheitsgebiet – dieses wird noch immer von Spanien beansprucht – noch sind die Katalanen im völkerrechtlichen Sinne ein Staatsvolk, wie Völkerrechtler betonen. Auch liegt die Staatsgewalt im Gebiet Kataloniens noch immer weitestgehend in den Händen der spanischen Regierung. Der Einsatz der Guardia Civil in Barcelona und anderswo zeigt beispielhaft, wo die Macht im Staate noch immer liegt: in Madrid.
Eine Frage der Interpretation
Die Schweizer Anerkennungspraxis basiert ebenfalls auf dieser sogenannten Drei-Elementen-Lehre. Es ist auch aus diesem Grund nicht zu erwarten, dass sich der Bundesrat noch dazu durchringen wird, Katalonien in absehbarer Zeit als eigenständigen Staat anzuerkennen.
Dass im Völkerrecht aber durchaus auch Grauzonen und Interpretationsspielräume bestehen, das zeigt die jüngere Geschichte: So war beispielsweise die Anerkennung Kosovos durch die Schweiz im Februar 2008 völkerrechtlich nicht unumstritten. Wenngleich die Voraussetzungen im bürgerkriegsversehrten Kosovo natürlich andere waren als jetzt in Katalonien, stellte sich selbst dort die Frage, inwiefern Kosovo gemäss der gängigen Lehre als eigener Staat gelten kann. Gräueltaten gab es auf beiden Seiten, eine klare Opfer-Täter-Rollenverteilung, die eine Sezession legitimiert hätte, war nur bedingt auszumachen. Es war schliesslich auch dem Aktionismus der damaligen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey geschuldet – diese hatte schon früh eine Anerkennung Kosovos in Aussicht gestellt –, dass sich der Gesamtbundesrat 2008 zur Anerkennung Kosovos durchrang. Dies geschah in Übereinstimmung mit einer Vielzahl weiterer Staaten, die sich ebenfalls zu diesem Schritt ermächtigt fühlten.
Nicht dazu gehörte Spanien. Dieses Abseitsstehen zusammen mit vier weiteren Mitgliedstaaten der EU hat mit den Unabhängigkeitsbestrebungen im eigenen Land zu tun. Eine Anerkennung der Sezession Kosovos von Serbien hätte aus Sicht der Zentralregierung in Madrid die falschen Signale an die Separatisten im Baskenland und in Katalonien gesendet.
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