Beim ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen hat sich das erwartete politische Erdbeben ereignet: Erstmals seit Bestehen der Fünften Republik haben es beide Anwärter der bisher staatstragenden Parteien, nämlich der Sozialisten und der konservativen Republikaner, nicht in die Stichwahl geschafft. Am 7. Mai stehen sich Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsnationalistischen, EU-feindlichen Front National, und der linksliberale, europaenthusiastische Emmanuel Macron gegenüber.
Im Hinblick auf diesen zweiten Wahlgang prophezeien sämtliche Umfragen einen deutlichen Sieg Macrons. Die Erfahrungen beim Brexit und bei der Wahl Donald Trumps mahnen zwar zur Vorsicht; doch es wäre eine gewaltige Überraschung, wenn es nun in Frankreich nicht zu einem politisch-sozialen Schulterschluss käme, um Marine Le Pen als Präsidentin zu verhindern.
Verdrossenheit über traditionelle Politik
Das Resultat des ersten Durchgangs zeigt zwar den Verdruss der französischen Wählerschaft gegenüber der etablierten Politik, die Unzufriedenheit mit den ökonomischen und sozialen Zuständen, den Zorn über all jene Widrigkeiten, die man mit dem Begriff «le malaise français» zu umschreiben pflegt. Und trotzdem haben die Stimmbürger mit Macron einen Kandidaten in die Favoritenrolle versetzt, der von seiner Herkunft und Biographie her ein typischer Exponent des Establishments ist – und der ein politisches Programm vertritt, das mit seinen wirtschaftsliberalen, aber sozialstaatlich abgefederten Reformversprechen alles andere als revolutionär daher kommt.
Macrons Anziehungskraft liegt in seiner Jugendlichkeit, in der Dynamik seiner binnen kürzester Zeit geschaffenen Bewegung «En marche!» («Vorwärts!»). Der 39-jährige repräsentiert weder den radikalen Bruch mit dem Bestehenden noch den Sprung in die Irrationalität. Sein Kapital besteht vorderhand im reichlich schwammigen Versprechen, den Gegensatz zwischen links und rechts zu überwinden und das abgestandene System irgendwie zu erneuern. Das ist nicht gerade berauschend – aber immer noch tausendmal besser, als die abstrusen politischen und ökonomischen Visionen seiner Gegnerin Marine Le Pen.
Video – Macron und Le Pen gehen in die Stichwahl.
Der Mitte-Links-Politiker und die Rechtspopulistin erkämpften sich die meisten Stimmen im ersten Wahlgang. (Video: Tamedia/AFP)
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Ein halber Aufstand gegen die Elite
Bei der Stichwahl in Frankreich dürfte es zu einem Schulterschluss kommen, um Marine Le Pen als Präsidentin zu verhindern.