Baselbieter Wintersportler im PorträtEin ganzes Jahr für eine einzige Minute
Dominik Hufschmid aus Oltingen ist seit drei Jahren Anschieber im Viererbob. Um in der Wettkampfsaison optimal vorbereitet zu sein, muss er einige Opfer bringen.

Dominik Hufschmid arbeitet Vollzeit. Als gelernter Zimmermann steht er von früh bis spät auf dem Bau, wo sein voller Körpereinsatz gefordert ist. Doch auch nach der Arbeit ist der Tag des 23-Jährigen noch nicht mal ansatzweise vorbei, bis nach 20 Uhr schuftet er noch im Kraftraum. So sieht der Tagesablauf von Hufschmid in der Saisonpause aus, und das seit rund drei Jahren.
Ehemals als Leichtathlet und Fussballer aktiv, ist Hufschmid damals zum Bobsport gekommen. «Viel Zeit für andere Freizeitaktivitäten bleibt seither nicht mehr wirklich», ist er sich bewusst. All den Aufwand nimmt der Oberbaselbieter auf sich, um im Oktober, wenn die Wettkampfphase beginnt, topfit zu sein. Zu den besten drei Anschiebern der Schweiz möchte er in naher Zukunft gehören. Wie die Bezeichnung schon andeutet, besteht seine Aufgabe darin, den Bob nach dem Startsignal anzuschieben. «Viel Talent braucht es nicht, Explosivität und Schnellkraft sind die Attribute, die man mitbringen sollte», sagt Hufschmid.
Daher ist kein Zufall, dass die meisten Anschieber ehemalige Leichtathleten sind. Zweimal die Woche betreibt Hufschmid Krafttraining, zweimal wöchentlich sprintet er die Laufbahn rauf und runter. Die 100 Meter rennt er in 11,3 Sekunden, beachtlich für einen Mann mit rund 100 Kilogramm Körpergewicht auf eine Grösse von 183 Zentimetern.
Alles für den perfekten Start
Nach dem Anschub muss Hufschmid möglichst schnell in den Bob springen, gemeinsam mit seinen drei Mitfahrern. Da Hufschmid üblicherweise im Viererbob fährt, unterstützen ihn zwei weitere Anschieber beim Start, danach ist seine aktive Arbeit im Prinzip erledigt. Einsetzen muss er im Anschluss nur noch sein Körpergewicht, während der Pilot den Bob über die im Schnitt knapp zwei Kilometer lange Bahn ins Ziel steuern muss.
Da Hufschmid zwölf Europacuprennen im Jahr fährt und seine Fähigkeiten pro Einsatz nur für etwa fünf Sekunden lang beansprucht werden, kann man also sagen, dass er monatelang hart trainiert, nur um über die komplette Saison eine Minute im Einsatz zu sein. Doch für Hufschmid hat dieser Fakt keine demotivierende Wirkung, im Gegenteil: «Das Gefühl bei einem Start ist unglaublich. Wenn die grüne Lampe leuchtet, schiesst bei mir das Adrenalin ein und dann geht es los, mit aller Gewalt.»

Seit 2021 fährt Hufschmid im Nationalkader mit Pilot Cédric Follador mit. Mit diesem nahm er im Februar das erste Mal an der Weltmeisterschaft im Viererbob im deutschen Altenberg teil. Diese Erfahrung bezeichnet Hufschmid als den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere, wenngleich man sich ein besseres Ergebnis als Schlussrang 19 erhofft hatte. Doch zwei Stürze in der Vorbereitung kratzten am Selbstvertrauen Folladors, sodass Hufschmids Equipe froh darüber war, überhaupt antreten zu können.
Der Traum von Olympia
Stürze gehören zum Bobsport dazu, ebenso wie die daraus resultierenden Lädierungen. Brüche und Gehirnerschütterungen treten regelmässig auf. Siebenmal ist Hufschmid bislang gestürzt, verletzt hat er sich nie. Doch er beschreibt jede einzelne Fahrt als schmerzhaft, da bei einer Geschwindigkeit von bis zu 130 Kilometern pro Stunde ohne Federung oder Polster im Gleitgerät besonders in den Kurven massive Kräfte auf den Körper wirken. Doch Hufschmid hält das aus und plant daher, den Sport noch so lange zu betreiben, wie es ihm sein Körper erlaubt. In den nächsten Jahren möchte er den Sprung von der Europa- in die Weltcupstufe schaffen und sich für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo qualifizieren.
Wie es danach für Hufschmid weitergeht, hängt auch von seiner monetären Situation ab. Bislang finanzierte er den Sport hauptsächlich aus eigener Tasche. Seit diesem Jahr wird er durch erste Sponsoren unterstützt. Zuschüsse erhält er von seinem Piloten, die Ausrüstung vom Verband. Sein Ziel ist es, durch die Akquisition weiterer Geldgeber seine Ausgaben für den Sport decken zu können, ohne dabei auf sein Erspartes zurückzugreifen.
Mit aussichtsreichen Plänen für die Zukunft blickt Dominik Hufschmid also auf das Jahr 2021 zurück, das für ihn in St. Moritz im Rahmen der Schweizer Meisterschaft am 31. Dezember enden wird. Ausnahmsweise in der Schweiz, reist Hufschmid für Rennen sonst nach Deutschland, Österreich, Frankreich oder Lettland. Allerdings tritt er St. Moritz nicht selbst an, da ausschliesslich Teilnehmer im Zweierbob an den Start gehen werden. «Nervös werde ich trotzdem sein, ich werde meine Teamkollegen anfeuern», sagt er. Selbst antreten wird er dann am 27. Februar auf derselben Strecke, wo er mit einer Top-3-Platzierung den nächsten Meilenstein seiner noch jungen Karriere legen möchte.
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