Ein falsches Signal
Klimaforscher Thomas Stocker erhält den renommiertesten Wissenschaftspreis der Schweiz. Nicht wegen seiner wissenschaftliche Qualifikation, sondern für sein missionarisches Verhalten in der Klimapolitik.

Wissenschaftspreise wie der Nobelpreis oder Benoist-Preis dienen – in ihrer ursprünglichen Absicht – der Anerkennung und damit der indirekten Förderung von wissenschaftlichen Spitzenleistungen. Sie sollten allen Forschenden Anreiz sein, eigenständige, ergebnisoffene, innovative und selbst (scheinbar) verquere Forschungsfragen anzugehen oder heterodoxe Methoden zu wagen.
Leider belohnt nach dem diesjährigen Nobelpreis in den Wirtschaftswissenschaften nun auch der Schweizer Benoist-Preis eher das Gegenteil, nämlich die Verfolgung von Modetrends, die Suche nach politisch korrekten Ergebnissen und die mediale Strahlkraft.
Die politische Dimension ist beim neuen Preisträger, dem Klimaforscher Prof. Thomas Stocker, ziemlich offensichtlich. Dabei geht es nicht um seine wissenschaftliche Qualifikation in der Klimaforschung, sondern um sein missionarisches Verhalten in der Klimapolitik. Als damals noch freier Forscher kam Stocker nämlich 2006 zum Schluss, dass seine Untersuchung von sechs schweizerischen Gletschern klar gezeigt habe, dass diese im Holozän schon sechsmal massiv zurückgegangen und ihre Bassins mit Vegetation überwachsen gewesen seien. An menschgemachten Treibhausgasen kann das aber nicht gelegen haben.
Als momentan medial präsentester und politisch beliebtester Naturwissenschaftler weicht Stocker kritischen Diskussionen mit Fachkollegen und wissenschaftlichen Kontroversen aus. Vielmehr betont er immer und immer wieder den angeblich fast einstimmigen Konsens unter den Fachleuten über die Erwärmung durch anthropogenes CO?.
Es geht hier um «richtig» oder «falsch», aber vor allem um permanent überprüfbare und falsifizierbare Ergebnisse.
Einstimmigkeit oder Konsens auf der Basis von Kompromissen sind wichtig für die Politik, haben aber in der Wissenschaft nichts verloren und daher auch nichts zu suchen. Es geht hier um «richtig» oder «falsch», aber vor allem um permanent überprüfbare und falsifizierbare Ergebnisse. Soweit es in der Wissenschaft allgemeingültige Gesetze gibt, wie etwa diejenigen der Schwerkraft oder der Thermodynamik, basieren diese nicht auf Konsens, sondern auf experimentell oder empirisch überprüfbaren Beweisen.
Davon ist die aktuelle Klimaforschung weit entfernt, wie auch Prof. Stocker wissen müsste, weil das in der Natur einer extrem komplexen Problematik und einer prekärer Datenlage liegt. Weil es aber (angeblich) um die Weltrettung geht, glauben viele Klimawissenschaftler, den Konsens einer (angeblichen) Mehrheit als Beweisersatz ins Feld führen zu dürfen. Hinzu kommt die Anmassung von Wissen in anderen Fachgebieten, wie zum Beispiel der Ökonomie.
Vor Jahren hat derselbe Stocker an einem Panel verkündet, die Energiewende schaffe grosse Chancen für Innovation und Beschäftigung, insbesondere in der Solarindustrie. Der Zufall wollte es, dass die Preisverleihung an Stocker zeitlich genau mit dem Ende der Produktion von Meyer-Burger in der Schweiz zusammenfiel. Beides, der missionarische Eifer und die Beanspruchung von Fachwissen in wildfremden Gebieten, widerspiegelt leider nur die ideologisch-politische Dominanz in diesem Forschungszweig, vor allem in der Schweiz. Dessen Hauptvertreter mit dem renommiertesten Wissenschaftspreis der Schweiz auszuzeichnen, sendet ein falsches Signal an die Wissenschaft und Wirtschaft.
Silvio Borner ist emeritierter Professor der Ökonomie am WWZ der Universität Basel.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch