Berührendes Video aus KiewEin «Basler» Konzert mitten im Krieg
Zwischen Sirenenalarmen und Bomben hat der in Basel ausgebildete Sänger Roman Melish für seine Landsleute ein berührendes Konzert organisiert. Finanziert wurde es durch eine Spendensammlung von Lied Basel. Das gesamte Konzert-Video, hier im Artikel.

Wunderschön, grausam, unfassbar traurig und trotzdem Balsam für die Seele – es ist schwierig, sich das «Basler» Konzert in Kiew anzuschauen und -zuhören, ohne durch ein Wechselbad der Gefühle zu gehen (Video des gesamten Konzerts siehe unten).
In der prächtig mit viel Gold ausgestatten St.-Andreas-Kirche im Zentrum von Kiew spielt Taras Stoliar auf einer Bandura – in Militäruniform. Aus dem Musiker wurde mit dem Krieg ein Soldat, der seine Instrumente gegen Waffen austauschen musste. Die 112. Brigade für Territorialverteidigung hat ihn für das Konzert «An die Musik - Song Recitals in Times of War» kurz freigestellt.
«Danke an den Veranstaltungsort, der seine Türen öffnete zwischen Sirenen und Bomben.»
Im emotionalen zweiten ukrainischen Stück «Durch das weite Feld» gesellt sich der in Basel ausgebildete ukrainische Countertenor Roman Melish mit seiner warmen und doch klaren Stimme zum Banduraspieler. Lässt man dabei die Gedanken dabei wandern, bildet sich ein Klumpen im Hals. Wie muss es dabei wohl den Zuschauern ergangen sein, die zum grössten Teil aus innerukrainischen Flüchtlingen bestanden? Der Zwiespalt zwischen der wunderbar vorgetragenen Musik und dem Gräuel und der Verzweiflung ausserhalb der opulenten Kirche ist fast mit Händen greifbar.
«Wir sind tief bewegt von diesem einzigartigen Konzert. Und wir möchten Danke sagen an alle Freund*innen von LIEDBasel, die dieses Konzert finanziell unterstützt haben. Danke an das Publikum vor Ort, für den Mut und die Stärke, dem Konzert beizuwohnen. Danke an ein Video-Team, welches trotz etlichen Stromausfällen und Gefahren die Kameras aufstellte. Danke an den Veranstaltungsort, der seine Türen öffnete zwischen Sirenen und Bomben. Danke an die herausragenden Musiker*innen, die dieses besondere Konzert mit ihren Stimmen, Instrumenten und Herzen zum Leben erweckt haben», schreiben die Organisatoren im Begleittext zum Video.
Das Konzert wurde möglich durch einen Spendenaufruf des Klassikfestivals Lied Basel. Die Idee stammt von Mitgründerin Silke Gäng. Sie lernte Roman Melish an der Musikhochschule Basel kennen. Die Gedanken, wie es ihm wohl mitten im Krieg ergeht, liessen sie nicht mehr los. Also kontaktierte sie ihn: «Benefizkonzerte gab es schon viele. Doch unsere Idee war es, den Menschen, die vor Ort im Krieg sind, eine Stunde Musik zu schenken, die ihnen etwas Hoffnung gibt», sagt die Mezzosopranistin.
Roman Melishs Alltag in Kiew ist von Sirenenalarmen, Bombenangriffe und Stromausfällen geprägt. In einem Videointerview mit Silke Gäng (siehe unten) erzählt er von den schwierigen Umständen. Auf die Frage, wie es ihm gehe, sagt er: «Grundsätzlich: Wir sind am leben und das ist gut. Doch jeden Tag müssen wir der Hoffnungslosigkeit und Frustration ins Auge sehen und kämpfen. Wir dürfen nicht den Sinn verlieren, für was wir tun. Es ist wirklich schwer jetzt.» Man sei ständig damit beschäftigt, nach Orten zu suchen, die Strom haben, um zu proben und Mails zu beantworten – und dabei unter den Angriffen nicht durchzudrehen: «Deshalb blockieren wir unsere Emotionen im Moment. Unser Ziel ist: zu überleben und einander helfen.»
«Ich habe die Augen der Leute gesehen, ihre Tränen, wirklich, Tränen. Und ich habe gesehen, wie diese Augen dankbar sind.»
Das Konzert, die Musik habe sehr geholfen: «Wir sind euch sehr dankbar. Denn es hilft sehr. Ich glaube ihr versteht gar nicht, wie stark das hilft», sagt Roman Melish. Es sei wie eine Umarmung: «Ihr helft uns und wir helfen ihnen. Und sie werden wieder anderen Menschen helfen können. So funktioniert das: Wir laden uns gegenseitig auf.»
Dank des Konzerts seien die Musiker und das Publikum zumindest für eine Stunde abgelenkt gewesen von Luftangriffsalarmen, Beschuss und Blackouts: «Die Bandura ist eine Art Symbol der Ukraine. Ihr Klang ist sehr speziell und heilt die Seele. Ich habe die Augen der Leute gesehen, ihre Tränen, wirklich, Tränen. Und ich habe gesehen, wie diese Augen dankbar sind. Denn es ist etwas, das die Leute vergessen haben. Wenn es nur darum geht, dass man überlebt, wo sie einen Platz finden, um zu schlafen, wo etwas zu essen.»
Anfangs habe er sich gefragt, ob es wirklich Sinn mache, den Menschen während eines Krieges ein Konzert anzubieten. Schliesslich, so habe er zunächst gedacht, sei das ja kein Grundbedürfnis. Doch dann habe er gemerkt: «Das hält uns am Leben. Denn wenn wir das Gefühl hätten, dass wir niemanden helfen können, würde uns das von innen zerstören», sagt Melish und fügt an: «Aber wir machen weiter. Wir sind stark. Sie werden uns nicht brechen. Das ist klar.»
Auch Silke Gäng möchte mit der Hilfe nicht aufhören. Im Moment tüfteln sie noch daran, wie das Geld am besten in die Ukraine kommt. Die erste Überweisung wurde zurückgewiesen. Ein Trick soll aber helfen: «Ich denke, nun funktionierts. Sobald wir ganz sicher sind, würden wir gerne mit Spenden weitere Konzerte ermöglichen. Es sieht gut aus.»
Infos zum neusten Stand: unter liedbasel.ch/news/
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