Ehec-Erkrankungen steigen sprunghaft an
Die lebensgefährliche Durchfallerkrankung lässt sich in Deutschland nicht eindämmen. Allein heute wurden insgesamt 470 neue Fälle gemeldet. Auch im Ausland breitet sich der Keim weiter aus.

Die Welle von Ehec-Infektionen reisst nicht ab: In Niedersachsen ist eine weitere Frau gestorben. Eine 84-jährige Patientin sei bereits am Sonntag an der schweren Darminfektion verstorben, teilt das Gesundheitsministerium in Hannover mit. Die Frau habe an dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom gelitten. Bei ihr sei zudem eine Ehec-Infektion nachgewiesen worden.
Das Robert-Koch-Institut sprach heute von 470 Fällen, bei denen sich die Ehec-Infektion zum Hämolytisch-Urämischen-Syndrom (HUS) erweitert hatte. Das sind knapp hundert HUS-Fälle mehr als die noch am Dienstag registrierten 373 Erkrankungen. Die Erkrankten leiden unter blutigem Durchfall, Blutarmut und versagenden Nieren und müssen auf Intensivstationen behandelt werden.
Drei Viertel dieser schweren gesundheitlichen Komplikationen sind in Schleswig-Holstein (121), Hamburg (97), Nordrhein-Westfalen (75) und Niedersachsen (51) aufgetreten. Bislang sind in Deutschland 16 Menschen an HUS gestorben.
Spanische Gurken nicht verantwortlich
Nach wie vor ist der genaue Ursprung der Ehec-Infektionen unbekannt. Die vom Hamburger Grossmarkt untersuchten spanischen Salatgurken sind nicht für den Ausbruch der Ehec-Epidemie in Norddeutschland verantwortlich.
Der Stamm O104, der für den derzeitigen Ausbruch der gefährlichen Ehec-Infektionen verantwortlich ist, sei bei keiner der vier untersuchten spanischen Gurken nachgewiesen worden, sagte ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
Wenn nicht Gemüse - was dann?
Das Bundesinstitut tappt weiter im Dunkeln. BfR-Präsident Henseler meinte, noch sei man mitten drin in der Klärung des Ausbruchsgeschehens: «Wir wissen derzeit nicht, ob es die Gemüse sind.» Es gebe aber noch keinen Hinweis darauf, dass der Erreger aus der Tierhaltung komme. Andreas Samann vom Institut für Hygiene und Umwelt in Hamburg machte wenig Hoffnung, dass die Quelle des Darmkeims rasch entdeckt wird. In fast 80 Prozent aller Fälle weltweit finde man den Erreger nicht.
Bis gestern Nachmittag habe man 1115 Proben gezogen, berichtete Helmut Tschiersky-Schöneburg, Präsident des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. 188 Gurken, 148 Tomaten und 184 Blattsalate seien aufwendig getestet worden. Hinzu kamen 45 Mal Erdbeeren, 13 Mal Spargel und 2 Mal Champignon plus Gewürze und Kräuter. Zur Sicherheit wurden darüber hinaus neun Mal Rohmilch getest, 38 Mal Käse und 19 Mal Fleisch.
Mehr als 1000 Ansteckungen
Mit dem Ehec-Erreger haben sich in Deutschland bislang 1064 Menschen angesteckt. Nur bei einem geringeren Teil ist es zu Komplikationen durch HUS gekommen. Mit 70 Prozent sind weit mehr Frauen als Männer betroffen. Mögliche Erklärungen dafür sind, dass Frauen mehr Rohkost essen und öfter die Speisen vorbereiten. Erste Hinweise gebe es auch darauf, dass sich Personen angesteckt haben, die Kranke pflegen.
Der EU-Gesundheitsminister John Dalli hat die Ausbreitung des Darmkeims als «ernste Krise» bezeichnet, wie «Spiegel online» schreibt. Er sagte aber auch: «Die Öffentlichkeit sollte ruhig bleiben und Hygieneregeln bei der Zubereitung von Essen beachten.»
Zwei Fälle in der Schweiz
Auch im Ausland breitet sich der Keim weiter aus. Menschen aus zahlreichen anderen europäischen Ländern haben sich zumeist bei Reisen nach Norddeutschland mit dem gefährlichen Erreger angesteckt.
In der Schweiz sind bislang nur zwei Infektionsfälle mit dem dort grassierenden Bakterienstamm bekannt. Der Zustand der Patienten ist nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) stabil, die Krankheit verlaufe ohne Komplikationen.
Spanischer Bauernverband will Schadenersatz
Der spanische Bauernverband Asaja will Schadenersatz für die offenbar unzutreffende Warnung vor mit Ehec-Bakterien verunreinigtem Gemüse aus Spanien. Asaja-Präsident Padro Barato sagte, nach der Entwarnung aus Hamburg seien die Bestellungen im Grosshandel wieder etwas angestiegen.
Dies sei aber in einer Industrie mit einem Wochenumsatz von 300 Millionen Euro nur ein Tropfen auf den heissen Stein, sagte Barato. Es müsse eine grosse Werbekampagne gestartet werden, um das Vertrauen in spanische Agrarprodukte wiederherzustellen.
Grosser Schaden angerichtet
Asaja werde Schadenersatz für Einnahmeausfälle verlangen, sagte Barato. Ob von der spanischen Regierung, Deutschland oder der EU, sagte er nicht. «Es wurde ein grosser Schaden angerichtet, und jemand muss dafür bezahlen», sagte er.
Nach wie vor ist der genaue Ursprung der Ehec-Infektionen unbekannt. Die deutschen Gesundheitsbehörden hatten spanische Salatgurken vom Hamburger Grossmarkt im Verdacht. Eine Untersuchung ergab nun aber, dass diese nicht für die Ehec-Epidemie in Norddeutschland verantwortlich sind.
Niemand will mehr Gurken
Der Ehec-Ausbruch macht auch den deutschen Gemüsebauern schwer zu schaffen. Unterdessen forderten Vertreter der Obst- und Gemüseproduzenten beim Deutschen Bauernverband kurzfristig finanziellen Schadensausgleich «für die entstandenen und mutmasslich weiterhin entstehenden Umsatz- und Ertragsaufälle». Aufgrund der Empfehlungen der Behörden und der Kaufzurückhaltung der Verbraucher entstünden den Gemüsebauern Umsatzverlusten zwischen vier und fünf Millionen Euro am Tag, hiess es.
Auch in der Schweiz verkaufen sich Gurken wegen des Ehec-Ausbruchs schlecht. Je nach Region sank der Absatz bis zu 50 Prozent, wie es am Dienstag beim Verband Schweizerischer Gemüseproduzenten hiess. Bei sonstigem Gemüse seien die Verkaufszahlen stabil. Die Behörden versichern, dass Gemüse in der Schweiz unter Einhaltung der üblichen Hygienemassnahmen problemlos konsumiert werden kann.
Ernährung umgestellt
Jeder zweite Deutsche hat laut einer Umfrage wegen der Ausbreitung des gefährlichen EHEC-Erregers seine Ernährung umgestellt. 59 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer gaben in der am Mittwoch veröffentlichten Befragung des Marktforschungsinstituts Forsa an, auf rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate derzeit zu verzichten.
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