Ed Sheeran zieht die Massen an
Ed Sheeran beschallte mit Gitarre und Loopstation das Letzigrund-Stadion. Rund 96'000 besuchen die beiden Konzerte.

Ed Sheeran weiss, was er macht. Denn bei jedem Konzert auf seiner längst ausverkauften Europatournee tut der bestbezahlte Musiker der Gegenwart genau das Gleiche. Abweichungen von der 17 Stücke starken Setliste des britischen Singer-Songwriters beschränken sich auf winzige Rochaden, müssen die Licht- und Videotechniker zu jedem Stück die passende Stimmung schalten.
Allerdings ist Sheerans Einstieg in das erste von zwei Konzerten im Letzigrund-Stadion durchaus mutig, verheizt er gleich zwei Publikumsfavoriten. Mit «Castle On The Hill» spielt Sheeran einen der Singles aus seinem letzten Werk «÷» (laut Streamingdienst Spotify das meistgestreamte Album im vergangenen Jahr); mit «The A Team» folgt bald darauf sein vielleicht schönster Song, der ihm im Jahr 2011 seinen ersten Hit bescherte. Weniger selbstbewusste Musiker und Musikerinnen hätten diese Songs für die Zielgerade aufbewahrt.
Bald erweist sich der 27-Jährige, der nur mit Gitarre und Loopstation ausgestattet vor das Mikrofon tritt, als gewiefter Moderator. Er bedankt sich bei den 48 000 Zuschauern und Zuschauerinnen im Letzigrund für die Unterstützung und feuert sie dann zum Mitsingen und Mittanzen an. «Hier geht es darum, etwas gemeinsam zu erarbeiten», sagt er. «Heute Abend seid ihr meine Begleitband.» Später schliesst er auch die Boyfriends und Superdads ein, die nur aus Pflichtbewusstsein ihren Freundinnen oder Kindern gegenüber ans Konzert gekommen sind.
Souveräne Gesangslinien
Mit seiner Loopstation türmt Sheeran souverän Gesangslinien, Gitarrenakkorde und live generierte Beats aufeinander, bis er wie eine ganze Band klingt. Bei seinen Vokalharmonien zwischen bebendem Tenor und klagendem Falsett sitzt jede Note, sein Gitarrenspiel ist treibend und rhythmisch vertrackt. Mit dieser Technik gelingt es dem blassen Engländer, einige seiner Stücke zu veredeln. «New Man», eigentlich eine dürftig amüsante Bagatelle über den ach so perfekten neuen Lover der Ex-Freundin, mutiert am Freitagabend zum R'n'B-Kracher.
Ansonsten lässt das Repertoire zu wünschen übrig. Gegen Ende stimmt Sheeran gar viele Balladen an, die sich melodisch, rhythmisch oder inhaltlich kaum auseinanderhalten lassen. Eine Schwäche, über die das grossartige Publikum hinweghilft: Es singt Stücke wie «Perfect» textsicher mit, tanzt und jubelt, wenn Sheeran es dazu auffordert – da kann er sich schon etwas Arroganz erlauben. «Wenn ihr die Worte zu diesem Song nicht kennt, seid ihr am falschen Konzert», leitet er «Thinking Out Loud» augenzwinkernd ein.
Im Zugabenblock gelingt es Sheeran, das verloren gegangene Momentum aufzufangen: Das hüpfende «Shape Of You» ist der grosse Hit aus «÷», auf den das Publikum gewartet hat, für das finale «You Need Me» rappt sich Sheeran schier in Rage: Die Samples scheinen ihm nur so um die Ohren zu fliegen.
Hier wirkt Sheeran endlich selbstvergessen, das aber gar spät. Zu selten gewährt dieser Routinier einen persönlicheren Einblick in sein Songmaterial; zeitweilen bildet Sheeran mit seiner Abgeklärtheit einen Schutzwall, der die vordergründige Verletzlichkeit seiner Songs widerspricht. Ed Sheeran gibt sich emotional, aber live gibt er von sich gar wenig preis.
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