«Du kommst aus dem Gericht und zwei Bomben gehen hoch»
Ein ehemaliger Bundesliga-Profi stand in der Türkei unter Terroranklage. Er wurde freigesprochen – doch die Realität holte ihn bald ein.

Der in Deutschland geborene Fussballer Deniz Naki, einst Publikumsliebling beim FC St. Pauli, spielt seit der vorigen Saison beim türkischen Drittligisten Amed SK in der türkisch-kurdischen Metropole Diyarbakir.
In Anspielung auf die bewaffneten Auseinandersetzungen, die sich Sicherheitskräfte und PKK-Militante um die Jahreswende ohne Rücksicht auf Zivilisten in der Stadt lieferten, schrieb Naki nach einem Sieg seines Clubs im türkischen Pokal: «Wir widmen diesen Sieg den Menschen, die in den 50 Tagen der Unterdrückung getötet oder verletzt wurden.»
Dafür wurde er für zwölf Spiele gesperrt, die höchste Disziplinarstrafe der türkischen Fussballgeschichte. Auch sein Club Amed SK ist immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Gegen Naki wurde Strafanklage erhoben. Vorwurf: Propaganda für eine Terrororganisation. Ihm drohten bis zu fünf Jahre Haft. «Die Welt» sprach ihn kurz nach der Verkündung des Urteils.
Herr Naki, Sie wurden heute von dem Vorwurf der Propaganda für eine Terrororganisation freigesprochen. Erleichtert?
Deniz Naki: Ich muss ehrlich sagen: Da ich die Gerichte in der Türkei nicht einschätzen kann, wusste ich nicht, was mich erwartet. Jetzt bin ich einfach nur froh, dass das Ganze ein Ende hat und sich meine Familie und Freunde und alle, die hinter mit standen, keine Sorgen mehr machen müssen.
Wie lief die Verhandlung?
Naki: Die hat um die 55 Minuten gedauert. Erst wurde vorgelesen, wofür ich angeklagt wurde. Ich habe dann gesagt, dass ich hundert Prozent hinter dem stehe, was ich gepostet habe. Dass das eine Friedensbotschaft war, dass ich nicht will, dass Menschen sterben. Am Ende hat der Staatsanwalt gesagt, dass das unter freie Meinungsäusserung fällt. Er meinte, dass Gericht soll mich freisprechen. Und das hat der Richter dann gemacht.
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan von Aken, der zur Beobachtung des Prozesses nach Diyarbakir gereist war, vermutet, dass die internationale Aufmerksamkeit zu diesem Freisprich beigetragen haben könnte. Stimmen Sie dem zu?
Auf jeden Fall. Der Richter hat die Beobachter vor der Verhandlung begrüsst. Dass sie da waren, hat geholfen. Darum möchte ich mich bei Jan von Aken und den Linken-Abgeordneten Martina Renner und Cansu Özdemir herzlich bedanken. Und natürlich bei Robert Dölger, dem Gesandten der Deutschen Botschaft in Ankara, der auch da war.
Kurz nachdem Sie aus dem Gerichtssaal kamen, gab es in Diyarbakir wieder zwei schwere Explosionen.
Ja. Du gehst aus der Verhandlung raus und sofort gehen zwei Bomben hoch. Dann weisst du wieder, dass du in einer Stadt lebst, in der jeden Moment etwas Schlimmes passieren kann. Mich macht das traurig. Das macht alle hier traurig. Die Leute wollen, dass der Krieg aufhört, dass keine Menschen sterben.
Zu dem Anschlag am Freitag, bei dem elf Menschen umkamen, hat sich schliesslich eine Splittergruppe der PKK bekannt. Ihnen wurde Propaganda für die PKK vorgeworfen. Wie passt das zusammen?
Ich habe immer gesagt: Ich möchte nicht, dass Menschen streben. Es ist mir egal, von welcher Seite oder von keiner Seite. Mir geht es darum, dass der Krieg aufhört.
Ihr Verein Amed SK ist eng mit der Stadtverwaltung von Diyarbakir verbunden. Deren Bürgermeister wurden neulich verhaftet und durch staatliche Zwangsverwalter ersetzt. Wie wirkt sich das aus?
Wir haben als Verein mit der Stadtverwaltung nicht so viel zu tun. Deshalb glaube ich nicht, dass wir Probleme bekommen werden. Aber dass gewählte Bürgermeister oder Abgeordnete verhaftet werden – sowas gibt es in keinem anderen Land. Aber ich hoffe, dass die Bürgermeister und die HDP-Abgeordneten wieder rauskommen. Diese Abgeordneten und Bürgermeister wurden vom Volk gewählt, sie können nur durch das Volk wieder abgesetzt werden. Die HDP vertritt sechs Millionen Menschen. Du kannst diese Menschen nicht mundtot machen, indem du sie verhaftest. Diese Verhaftungen machen uns traurig. Aber das heisst nicht, dass wir am Boden zerstört sind.
Ihr Club hat wieder den Einzug in die Gruppenrunde des türkischen Pokals geschafft, wo Sie im vergangenen Jahr für Furore gesorgt haben. Jetzt wurden Sie mit dem Istanbuler Club Fenerbahce in eine Gruppe gelost, gegen den Sie im letzten Jahr im Viertelfinale ausgeschieden sind. Ihre Prognose?
Wir haben letztes Jahr bewiesen, dass wir es können. Wir haben eine starke Mannschaft, wie haben einen grossen Zusammenhalt. Und durch die Motivation, die uns unser Volk geben wird, werden wir wieder erfolgreich sein.
Weil Sie dieses Mal gegen Fenerbahce spielen dürfen?
Perfekt.
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