Doppeltes Nein zu Sozialhilfe-Vorlage nicht ausgeschlossen
Die Initiative «Ergänzungsleistungen für Familien mit geringem Einkommen» hat keinen leichten Stand bei den Parteien im Baselbiet. Auch der Gegenvorschlag stösst auf Widerstand.

Wenn das kantonale Stimmvolk am kommenden 24. November über die Volksinitiative «Ergänzungsleistungen für Familien mit geringem Einkommen» und den Gegenvorschlag von Regierung und Landrat abstimmt, hat es, grob gesagt, die Wahl zwischen einer neuen Sozialleistung sofort und einer vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Im zweiten Fall müssten wissenschaftliche Grundlagen erst den Bedarfsnachweis erbringen.
Doch der Reihe nach. Die genannte Volksinitiative wurde unter der Federführung von Caritas beider Basel und der ATD Vierte Welt Region Basel sowie Persönlichkeiten wie Ruedi Brassel, CVP-Landrätin Béatrix von Sury, Josef Thali und Claude Hodel lanciert. Sie verlangt die Einführung von Ergänzungsleistungen für bedürftige Familien, um deren Armut zu mildern. In den Genuss der Leistungen sollen Familien mit Kindern bis zum 16. Lebensjahr kommen, die trotz Erwerbseinkommen unter der Armutsgrenze leben, sogenannte Working-Poor-Familien also.
Tiefer Schwelleneffekt
Für die Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen sollen insbesondere die Höhe des Einkommens, die Anzahl Kinder und die Gesamtzahl der in der Familie lebenden Personen massgebend sein. Ein Arbeitsanreiz soll jederzeit bestehen, allerdings mit tiefem Schwelleneffekt. Das heisst: Erwerbsarbeit und höherer Lohn mit entsprechend reduzierten Ergänzungsleistungen dürfen nicht dazu führen, dass das verfügbare Einkommen tiefer ausfällt als vor der Reduktion.
Die Initiantinnen und Initianten machen geltend, dass im Baselbiet 17000 Menschen unter dem sozialen Existenzminimum leben, davon 6000 Personen unter 17 Jahren. Weiter führen sie ins Feld, dass sich die Ergänzungsleistungen bei der AHV und IV bewährt haben. Ebenso weisen sie auf die diesbezüglichen positiven Erfahrungen in den Kantonen Waadt, Tessin, Genf und Solothurn. Und schliesslich wird argumentiert, dass Ergänzungsleistungen zu sinkenden Sozialhilfekosten führen würden. Im Kanton Waadt etwa habe bei der Sozialhilfe mehr Geld gespart werden können, als man für die Ergänzungsleistungen aufwenden musste.
Regierung und Landrat lehnten die Volksinitiative dennoch ab – vor allem mit dem Argument, eine zusätzliche Leistung ohne Einbettung in die übrigen ergebe keinen Sinn. Der Regierungsrat präsentierte daher einen Gegenvorschlag, der im Wesentlichen zum Ziel hat, erst mit einer Analyse des Ist-Zustands den Bedarf abzuklären. Das heisst: Eine neue Leistung soll erst dann eingeführt werden, wenn die «erforderlichen Entscheidungsgrundlagen» vorliegen.
«Diese sind momentan in Erarbeitung», schreibt die Regierung in den Abstimmungsunterlagen. Und damit sichergestellt ist, dass die eingesetzten Mittel verhältnismässig sind und Wirkung zeigen, brauche es eine umfassende Armutsstrategie. Diese werde, so die Regierung weiter, gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz erstellt.
Erst auf der Basis dieser Entscheidungsgrundlagen will der Regierungsrat eine Lösung erarbeiten, die Familien in beengten finanziellen Verhältnissen unter die Arme greift. Und dabei sollen nur Familien in den Genuss von Leistungen kommen, die ein Mindesteinkommen erzielen, um sie zu motivieren, weiter oder mehr zu arbeiten.
SVP lehnt beides ab
Die Abstimmungsparolen der Parteien weisen eine grosse Vielfalt auf. Die SP sagt Ja zur Initiative und lehnt den Gegenvorschlag ab. Die SVP lehnt sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag ab und spricht sich im Fall einer Annahme von beidem für den Gegenvorschlag aus. Für zweimal Ja mit Kreuzchen bei der Initiative haben sich die Grünen und die EVP ausgesprochen. Nein zur Initiative und Ja zum Gegenvorschlag mit Präferenz beim Gegenvorschlag sagen die Freisinnigen, die CVP und BDP.
Tendenziell neigt sich die Waagschale in solchen Situationen jeweils auf die Seite des Gegenvorschlags. Angesichts der Tatsache aber, dass SVP und SP Nein zum Gegenvorschlag sagen, ist ein doppeltes Nein auch nicht ausgeschlossen.
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