Donald Trump hat nicht recht
Nach Charlottesville: Nazis sind Nazis. Punkt.

Vielleicht lernt es Donald Trump nie mehr – und vielleicht haben all jene recht, die seine Präsidentschaft für gescheitert gehalten haben, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Es wurde überall gesagt – und wenn ich es jetzt auch noch sage, wirkt es nicht originell, dennoch ist es wahr: Wie Donald Trump am vergangenen Samstag, dann am Dienstag erneut auf die Demonstrationen der Nazis und ihrer Gegner in Charlottesville, Virginia, reagiert hat, war unerträglich, es war falsch, es war eine Schande. Seit wann ist es schwer, Nazis als Nazis zu verdammen? Seit wann ziert sich ein amerikanischer Präsident, Leute beim Namen zu nennen und zu bekämpfen, die all das in Frage stellen, was Amerika, dieses grandiose Land, ausmacht?
In Charlottesville, einer wunderschönen kleinen Universitätsstadt, zogen Menschen durch die Strassen, die tatsächlich Rassisten und Antisemiten sind, die glauben, eine weisse Haut bedeute mehr als nur eine weisse Haut, Leute auch, die meinen, die Juden beherrschten die Welt, Leute, die weder die Demokratie noch den Rechtsstaat schätzen, Leute schliesslich, die sich im Recht fühlen, diese politischen Ansichten mit Gewalt durchzusetzen. Solche Leute, für die es nicht einmal eine Beleidigung bedeutet, wenn man sie als Nazis bezeichnet, was sie sind, wurden von Donald Trump geschont, als wäre er einer der ihren. Und das ist das Problem.
Der Ruin
Etwa eine Stunde, nachdem James Alex Fields, 20, ein weisser Nationalist, ein Nazi, mit seinem Auto vorsätzlich in einen linken Protestzug hineingefahren war und dabei Heather Heyer, eine junge Frau, getötet hatte, sprach auch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika über diesen Vorfall. Zwar verurteilte er dies und das, er betete und hoffte, er salbaderte und schwadronierte, nur ein Wort sagte er nicht: Nazi. Gewiss, Donald Trump hatte recht, wenn er andeutete, dass auch die Linken, die sich bombastisch als Antifaschisten ausgaben, für die Eskalation der Gewalt verantwortlich waren. Ich bin der Letzte, der diese Leute verteidigt, die den gleichen Geist der Intoleranz und der Gewalt gegen Andersdenkende propagieren wie die rechten Faschisten – Linksfaschisten sind sie, die sich bloss als Antifaschisten tarnen. Wenn sie wie etwa neulich in Hamburg Amok laufen, kritisiere ich das genauso, doch am Samstag haben nicht die Linken eine junge Frau getötet, nicht sie haben rassistische und antisemitische Parolen verbreitet, gegen die man sich überall, ob in Amerika oder sonstwo, stellen muss, nicht sie haben das Böse zum legitimen politischen Programm erklärt.
Trump hätte die Täter beim Namen nennen – und ihre Motive und politischen Ansichten als das bezeichnen müssen, was sie sind: Hass und Schrott zugleich. Sie haben nichts mit Amerika zu tun, vom Westen und seinen Errungenschaften haben sie nichts begriffen. Unter dem Vorwand, Amerika über alles zu lieben, zerstören sie es.
Trump ist vermutlich der grösste Querulant, der je im Weissen Haus residiert hat, und aus diesem Grund schätze ich ihn – nach wie vor. Trump, davon gehe ich ebenfalls aus, ist kein Rassist und kein Antisemit. Deshalb ist es umso schwerer nachzuvollziehen, warum er in Bezug auf Charlottesville derart versagt hat. Gewiss, sein instinktiver Widerwille, das zu sagen, was alle erwarten, hat ihm bisher oft auch gedient. Es ist Teil seines Erfolges. Wenn ich ihn als Querulanten lobe, dann lobe ich diese Eigenschaft, die darin besteht, sich zu trauen, Tabus zu brechen, unanständig zu sein, wenn der Anstand in Wahrheit nur Schweinereien zudeckt, die Rolle des Aussenseiters zu ertragen und gerne Elefant zu sein, wenn alle nach der Maus rufen: Das ist eine grosse Gabe und eine beachtliche Leistung. Dafür braucht es Mut und Selbstbewusstsein zugleich. Dass solche Leute zuweilen der Selbstverliebtheit verfallen: Das halte ich für normal, und meistens ist es eine lässliche Sünde.
Lob des Mainstreams
Aber manchmal führt ihn diese Gabe, dieser innere Zwang gar, in die Irre: Er vermag dann nicht zu erkennen, dass jene recht haben könnten, die nach dem Konventionellen verlangen. Wenn Nazis prügeln und grölen, dann sind das Nazis, die prügeln und grölen, selbst wenn es die New York Times schreibt. Mit anderen Worten, sich gegen den Mainstream zu stellen, ist sehr oft das Richtige, aber es gibt Gelegenheiten, da der Mainstream nicht in die falsche Richtung fliesst und wer das übersieht, ertrinkt. Es war klassischer Trump: Am Montag haben ihn seine vielen fähigen Berater (Tochter Ivanka, Kushner, Stabschef Kelly) endlich dazu gebracht, ein unmissverständliches Statement abzugeben, wo er die Nazis ohne viel Federlesen aburteilte, doch am Dienstag schien er alles zu widerrufen, und man merkte es ihm an, wie sehr es ihn geplagt hatte, dass er am Montag sich in aller Öffentlichkeit von sich selbst zu distanzieren hatte. Streng genommen traf das gar nicht zu, er brach bloss sein schändliches Schweigen, doch für ihn, das war zu spüren, galt es als Niederlage.
Trump nimmt die Dinge zu persönlich. Das ist eine unendliche Stärke, weil es ihn auf Dinge bringt, die anderen verborgen bleiben; der Mann ist als Politiker viel empfindlicher und zwar im guten Sinne, als ihm seine Gegner das zutrauen. Trump erkannte die Sorgen der Menschen im Land, weil er – bei aller Selbstbezogenheit – ein sehr aufmerksamer Mensch ist. Deshalb gewann er die Wahl. Aber darin liegt eben auch eine Schwäche: Wer Trump kritisiert, wird von ihm bis in alle Nacht mit Rache verfolgt; noch fataler: Wer ihn unterstützt, aus welchen Gründen auch immer, wird nachsichtig behandelt, selbst wenn er ein Nazi ist. Es ist grotesk: Zu Recht hat Trump seinem Vorgänger Barack Obama immer vorgehalten, acht Jahre lang die Islamisten nie beim Namen genannt zu haben, wenn sie mordeten. Obama drückte sich vor dem klaren Urteil. Nun ist Trump der gleiche Fehler unterlaufen, indem er die Nazis aus der Verantwortung entliess. Seiner eigenen Glaubwürdigkeit hat er schweren Schaden zugefügt.
In Zeiten der Krise, und Charlottesville stellt eine solche dar, ist nicht der Querulant gefragt, sondern der Staatsmann. Wenn Fanatiker und Faschisten eine Stadt und das Land spalten, dann ergreift die Menschen die Sehnsucht nach dem Versöhner, einem Präsidenten, der nicht von sich selbst spricht, sondern von uns, der jene Werte bekräftigt, wo wir uns einig sind, einem Politiker mithin, der nicht Salz in die Wunden reibt, sondern sie schliesst. Trump hat das Gegenteil getan. Mark Lilla, ein linksliberaler Historiker in New York, hat neulich in einem klugen Essay den Zustand der amerikanischen Politik beklagt, dabei schonte er die eigenen Kreise keineswegs. Den Demokraten, denen er nahesteht, warf er vor, mit ihrer Identity Politics, der Identitätspolitik, nur noch Gruppen und Individuen anzusprechen, statt alle. Man rede fortwährend und wortreich vom Ich, nie mehr vom Wir. Die Wähler merken das – und wenden sich ab. Trump hat bewiesen, dass ihm das durchaus gegeben ist: von allen und für alle zu sprechen. In guten Momenten kann er das: den Staatsmann zeigen, der sich um alle sorgt, aber öfter gleitet er ab in kleinkarierte Privatkriege gegen Leute, die ihn nicht mögen, er leidet vor aller Welt an seinen narzisstischen Kränkungen, er schiesst sich ins Bein, als ob er Dutzende davon hätte. Trump bleibt ein Spektakel, ein Versprechen auf Wandel, der dringend nötig wäre, auch hat er immer noch das Zeug, ein guter Präsident zu werden, doch, ich gebe es zu, sicher ist das nicht.
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