Donald Trump empfindet die Untersuchungen als Ur-Trauma
Der Präsident hat mehrere Staaten um Hilfe gebeten, um die Nachforschungen des Sonderermittlers Robert Mueller gegen ihn zu diskreditieren.

Skandale sind manchmal wie Bäume. Sie haben verschiedene Äste und Zweige, aber nur eine Wurzel, aus der alles wächst. Die Ukraine-Affäre, mit der sich US-Präsident Donald Trump ein Amtsenthebungsverfahren eingehandelt hat, ist dafür ein Beispiel: Trumps Bitte an seinen ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenski, die Justiz in Kiew gegen den ehemaligen Vizepräsidenten und heutigen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden ermitteln zu lassen, ist einer der Äste, ein ziemlich dicker sogar.
Die Wurzel allerdings ist etwas anderes: Trumps Wut über den Vorwurf, Russland habe ihm bei seinem Wahlsieg geholfen, er sei mithin kein legitimer Präsident; und seine Besessenheit, diesen Vorwurf zu widerlegen und sich an seinen Gegnern für die – wie er es empfindet – grundlose Verfolgung zu rächen. Die «Hexenjagd», die die Demokraten angeblich gegen ihn organisiert und für die sie Sonderermittler Rober Mueller eingespannt haben – das ist Trumps politisches Ur-Trauma, das ihn seit zweieinhalb Jahren nicht loslässt.
Die Rolle von Crowdstrike
Das war bei Trumps Telefonat mit Selenski offensichtlich. Noch bevor der US-Präsident auf Biden und dessen Sohn zu sprechen kam, bat er Selenski um einen «Gefallen» – Ast Nummer zwei, wenn man so will. Kiew solle bei der Klärung eines Vorgangs helfen, so Trump, der mit einem Unternehmen zu tun habe, dessen Name im rechten Lager in den USA weithin bekannt ist: Crowd-strike. So heisst eine Firma für Computersicherheit, die 2016 von den Demokraten angeheuert wurde.
Die Firma sollte herausfinden, wer die Server der Partei gehackt und Tausende E-Mails über den Wahlkampf der damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gestohlen hatte. Sie wurden später von Wikileaks veröffentlicht und schadeten Clinton sehr. Crowd-strike kam, wie die US-Geheimdienste, zu dem Schluss, dass das eine russische Sabotageaktion war, um Trump zu helfen.
In rechten Kreisen in Amerika kursiert jedoch eine alternative Theorie. Danach sollen die Server der Demokraten von der Ukraine aus attackiert worden sein, Russlands Beteiligung sei nur fingiert worden, um Moskau und Trump zu belasten. Beweise gibt es dafür nicht, und einige Behauptungen sind offensichtlicher Blödsinn, etwa dass das kalifornische Unternehmen Crowdstrike in Wahrheit von einem ukrainischen Millionär gesteuert werde.
«Es bleibt eben in seinem Gedächtnis haften, wenn er das wieder und wieder zu hören bekommt.»
Doch weil offenbar viele Menschen in Trumps Umfeld diese bizarre Theorie verbreiten, allen voran sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani, glaubt auch der US-Präsident sie und spricht in einem offiziellen Telefonat mit seinem ukrainischen Kollegen darüber. «Es ist eine Verschwörungstheorie. Und sie ist komplett widerlegt», sagte vor einigen Tagen Tom Bossert, Trumps früherer Heimatschutzberater, in einem Interview. Er habe den Präsidenten mehrmals davor gewarnt – zu seiner Frustration aber ohne Erfolg. «Es bleibt eben in seinem Gedächtnis haften, wenn er das wieder und wieder zu hören bekommt.»
Die Schauplätze der Affäre
Wie sehr Trump die Russland-Sache immer noch beschäftigt, machen auch die jüngsten Enthüllungen deutlich – noch ein Ast. Wie die «New York Times» und die «Washington Post» am Dienstag berichteten, haben Trump und sein Justizminister William Barr mehrere ausländische Regierungen aufgefordert, mit US-Ermittlern zusammenzuarbeiten; diese wiederum sollen herausfinden, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass die amerikanische Justiz möglichen illegalen Verbindungen zwischen Trump und Moskau nachgespürt hat. Denn diese Ermittlungen begannen bereits während des Wahlkampfs 2016, lange bevor Robert Mueller im Mai 2017 übernahm.
Wenn man sich die Schauplätze ansieht, die dabei eine Rolle spielen, wird schnell klar, warum Trump und Barr ausgerechnet die Behörden in Italien, Australien und Grossbritannien um Unterstützung gebeten haben: Im Frühjahr 2016 traf ein Wahlkampfmitarbeiter Trumps, George Papadopoulos, in Rom einen mysteriösen Professor namens Joseph Mifsud, der angeblich Kontakte zum russischen Geheimdienst hat.
Dieser soll Papadopoulos erzählt haben, dass die Russen belastendes Material über Clinton hätten, darunter auch jede Menge schädliche E-Mails. Papadopoulos erzählte das dann später in London dem australischen Diplomaten Alexander Downer. Dieser meldete die Angelegenheit nach Hause. Mifsud ist inzwischen verschwunden. Papadopoulos belog später Mueller und musste deswegen für einige Wochen in Haft.
Trumps Wahlkampfteam sei «ausspioniert» worden, sagte Justizminister Barr im Kongress.
Als Wikileaks im Sommer 2016 begann, die Clinton-Mails zu veröffentlichen, gab die australische Regierung der amerikanischen einen Tipp. Daraufhin nahm das FBI Trumps Wahlkampfteam ins Visier und begann, einzelne Mitarbeiter abzuhören. Die Polizeibehörde wollte herausfinden, ob es zwischen Trumps Leuten und Moskau illegale Kontakte oder Absprachen gab. In Trumps Augen war das allerdings eine Spionageaktion, durch die eine verschwörerische linke Clique in den Washingtoner Sicherheitsbehörden – der «tiefe Staat» – ihn fertigmachen wollte. Trumps Wahlkampfteam sei «ausspioniert» worden, sagte Justizminister Barr im Kongress.
Trump drängte auf Barrs Initiative hin im September den australischen Regierungschef Scott Morrison, US-Bundesstaatsanwalt John Durham und dessen Ermittlern zu helfen. Barr selbst besprach die Angelegenheit in Rom. Auch London wurde um Mithilfe gebeten. Das kann man alles also neutral sehen, als eine Art Gesuch um Amtshilfe auf höchster Ebene. Oder man kann es als das sehen, was vermutlich war – oder zumindest auch war: ein weiterer Versuch von Donald Trump, seine Legitimität zu beweisen und die «Hexenjagd» zu entlarven, mit der er angeblich gequält wurde.
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Trump ist der dritte Präsident, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird. Des Amtes enthoben wurde bis anhin noch kein Präsident. Video: Tamedia
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